Europa muss Attraktivität für Investoren steigern

Titel der Publikation: Europa muss seine Attraktivität für ausländische Investoren zurückgewinnen
Veröffentlichung: 08/2014
Autor: Stefan Vetter
Auftraggeber: DB Research (Website)
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Die EU hat in den letzten Jahren ihre Position als Region mit den weltweit höchsten Zuflüssen an ausländischen Direktinvestitionen eingebüßt. So verzeichnete 2013 allein China höhere Zuflüsse von ausländischen Investoren als die gesamte EU.

22.08.2014 | 09:25 Uhr

Sicherlich steigt die globale Bedeutung der Emerging Markets kontinuierlich, während der europäische Markt in vielen Industrien deutlich geringere Wachstumspotenziale hat. Anders als die EU konnten jedoch die USA ihren Anteil an den globalen Direktinvestitionen trotz der Krise halten. Die gesunkene Attraktivität mancher europäischer Länder dürfte nicht zuletzt das Resultat ihrer geringeren internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein.

Zunächst die erfreuliche Nachricht: Nach einem sehr schwachen 2012 konnten die Länder der EU 2013 wieder mehr FDI nach Europa locken. Zu dem positiveren Bild trugen unter anderem Spanien, Italien und Deutschland bei, und auch Großbritannien und Irland waren 2013 wieder beliebte FDI-Ziele. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst im ebenfalls nicht von konjunktureller Stärke gekennzeichneten Jahr 2011 doppelt so hohe FDI-Zuflüsse in die EU zu verzeichnen waren wie 2013. Von Zeiten wie den späten 1990en und den Jahren bis 2007, als bis zu 50% der FDI-Ströme in EU-Länder flossen, sind wir derzeit weit entfernt.

Der Anteil Chinas an den weltweiten Direktinvestitionen hat sich über die letzten zehn Jahre hinweg auf heute 20% verdoppelt. Die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) kommen zusammen auf 30% - fast genau so viel wie die EU und die USA gemeinsam. Dass Regionen außerhalb Europas und Nordamerikas an Bedeutung gewinnen, ist angesichts ihres enormen Entwicklungs- und Aufholpotenzials nur logisch. Dank der lukrativen lokalen Märkte in vielen Emerging Economies ist es nicht überraschend, dass multinationale Konzerne aus den Industrieländern bevorzugt dort neue Produktionsstätten errichten, lokale Unternehmen aufkaufen oder Joint-Ventures gründen. Diese multinationalen Unternehmen zählen zu den größten Profiteuren der wachsenden Absatzmärkte, mit denen sie die schwächelnde Nachfrage aus der Eurozone zumindest teilweise kompensieren können. Das geht nur mit Hilfe von substanziellen Direktinvestitionen vor Ort. Ohne ihre Werke in Mexiko, Brasilien oder China wären etwa deutsche, amerikanische und japanische Autohersteller gar nicht in der Lage, sich in den dortigen Massensegmenten mit wettbewerbsfähigen Preisen positionieren zu können.

So weit, so nachvollziehbar. Beunruhigender ist die Entwicklung Europas im Vergleich zu den USA, denn schließlich ist der US-Anteil an den weltweiten Direktinvestitionen über die letzte Dekade hinweg konstant geblieben – trotz Finanzkrise und Konjunkturdelle. Auch wenn die Jahre 2000-2007 um die Euro-Einführung und die EU-Osterweiterung als europäischer Sonderfall eingestuft werden können, ist der seither divergierende Verlauf bemerkenswert. Im Wesentlichen dürften vor allem drei Faktoren dafür verantwortlich sein: die schwierigere Ertragslage vieler europäischer Unternehmen, die unsichere Entwicklung des europäischen Marktpotenzials und die verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit einiger EU-Länder.

Die Tatsache, dass europäische Firmen zuletzt unter der Rezession in ihrem Heimatmarkt zu leiden hatten, ist deshalb von Bedeutung für FDI-Ströme, weil ca. 60% aller FDI-Zuflüsse in europäische Länder „intra-EU“ sind – also z.B. von Firmen aus Deutschland, Frankreich und Italien nach Irland, Spanien, Polen oder Rumänien. Wenn niedrigere Gewinnaussichten und schwierigere Finanzierungsbedingungen die Investitionsbereitschaft europäischer Unternehmen reduziert, hat dies spürbare Auswirkungen auf Direktinvestitionsströme in der EU. Auch deshalb steigt der FDI-Anteil aus extra-EU-Ländern seit Krisenbeginn merklich an. Zweitens hat die langjährige Krise zu einer deutlichen Revision der langfristigen Wachstumserwartungen für Europa geführt. Das Potenzialwachstum für die großen Eurozonen-Länder wie Deutschland, Frankreich und Spanien dürfte momentan kaum mehr als 1 Prozent betragen, in Italien noch deutlich weniger.[Siehe auch Insight Europe - Reform or regress, Deutsche Bank Research, 2013]. Die ausgesprochen ungünstige demographische Entwicklung tut ihr Übriges dazu, dass die EU nicht als Zukunftsmarkt wahrgenommen wird.

Schlussendlich haben einige EU-Länder auch als Produktionsstandorte an Wettbewerbsfähigkeit verloren und müssen sich diese erst mühsam zurückerarbeiten. Durch hohe Steuern und Lohnkosten, viel Bürokratie und mäßige (Aus-)Bildungssysteme haben manche Länder keine guten Argumente an der Hand, weshalb ausländische Firmen sich genau dort engagieren sollten. Schließlich bekommen diese von jedem Land der EU aus ungehinderten Zugang zum gesamten Binnenmarkt und können sich daher die für sie attraktivsten Länder aussuchen.

Auch wenn die Wachstumseffekte von FDI gelegentlich überschätzt werden - z.B. deshalb, weil es teilweise auch zu einer Verdrängung einheimischer (und weniger kompetitiver) Unternehmen kommt - haben sich Direktinvestitionen vor allem dann empirisch als wirkungsvoller Wachstumstreiber erwiesen, wenn die Empfängerländer über viel Humankapital in Form von gut ausgebildeten Arbeitskräften, eine gute Infrastruktur und entwickelte Finanzmärkte verfügen. All das trifft auf Europa im Großen und Ganzen noch zu. In den von der Krise am stärksten gebeutelten Ländern dürfte der Wachstumseffekt von FDI momentan sogar besonders groß sein, weil ein beträchtlicher Teil der einheimischen Unternehmen nur eingeschränkten Zugang zu Finanzierungsmitteln hat und daher auch nur in begrenztem Umfang eigentlich sinnvolle Investitionen tätigen kann.

 

Einige EU-Länder haben die Zeichen der Zeit erkannt und es ist durchaus bemerkenswert, dass die krisengeschüttelten Länder Spanien und Irland im letzten Jahr auf den Plätzen 1 und 3 der beliebtesten europäischen Zielländer für Direktinvestitionen lagen. Die positive Bilanz lässt sich aber nicht allein darauf zurückführen, dass diese beiden Länder in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit erreicht haben. Schließlich zählten beide schon in der Vergangenheit zu jenen Ländern, die gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung sehr hohe Investitionspositionen hatten. Spanien liegt in dieser Hinsicht deutlich vor den anderen großen Ländern der Eurozone, Irland steht europaweit sogar mit an der Spitze (nicht zuletzt dank niedriger Unternehmenssteuern). Im Gegensatz dazu konnten Italien und Griechenland schon vor der Krise deutlich weniger Direktinvestitionen anziehen. Die Wettbewerbsnachteile dieser Länder erscheinen sehr persistent und mit ein paar Reformen unter dem Druck von Rezession und Troika lassen sie sich nicht beseitigen. Vielmehr ist eine umfassende Strategie gefordert, um die Verwaltung und die staatlichen Institutionen zu verbessern, eine wettbewerbsfähige Kostenbasis für Unternehmen zu schaffen, aber auch um das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte zu erhöhen und den Anteil geringqualifizierter Schulabgänger zu reduzieren.

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