„Ein Glück, dass es Silvio Berlusconi gibt“

Starkes Wahlergebnis des „Cavaliere“ treibt den Euro-Kurs nach unten. Ifo-Präsident Sinn ist erleichtert.

05.03.2013 | 10:27 Uhr von «Patrick Daum»

„Italien entscheidet über den Euro-Kurs“, sagt der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Professor Hans-Werner Sinn. Erst habe EZB-Präsident Mario Draghi den Kurs mit seiner Ankündigung, die EZB garantiere die Rückzahlung der Staatsschulden der südeuropäischen Länder zulasten der Steuerzahler der noch gesunden Länder, nach oben getrieben. Nun treibe Silvio Berlusconi ihn wieder nach unten. „Das offenbart ein fundamentales Dilemma der Euro-Rettungspolitik“, so der Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. „Maßnahmen, die die Finanzmärkte stabilisieren, treiben nicht nur, wie geplant, die Kurse der Staatspapiere hoch, sondern auch den Euro.“ Für die Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Länder sei dies schlecht. Konsumenten würden sich von den Waren des Krisenlandes abwenden und verstärkt im Ausland kaufen. Exporteure und Hersteller der mit den Importen konkurrierenden Güter wären betroffen. „Die angebliche Rettungspolitik verschlimmert also die Rezession und erzeugt noch mehr Arbeitslosigkeit, als ohnehin schon vorhanden ist“, ist Sinn überzeugt. Umgekehrt führten Ereignisse, die die Finanzmärkte destabilisieren, zur Stabilisierung der Realwirtschaft. „Ein Glück, dass es Silvio Berlusconi gibt“, sagt der Professor nicht ohne Ironie, aber mit Blick auf den fallenden Wechselkurs der Gemeinschaftswährung.

Das Auf und Ab des Wechselkurses zeige die Grenzen der europäischen Rettungspolitik auf. „Durch den billigen Kredit, den der Euro brachte, hatten sich in Südeuropa inflationäre Wirtschaftsblasen gebildet, die im Ausbruch der Finanzkrise platzten“, erläutert Sinn. „Schlagartig verschlechterten sich die Kreditkonditionen, und völlig überteuerte Wirtschaftssysteme blieben zurück.“ Darunter leide inzwischen auch Frankreich, da das Land sehr stark auf Südeuropa ausgerichtet sei. Einer Studie der Investmentbank Goldman Sachs zufolge, müsste Frankreich gegenüber Deutschland 35 Prozent billiger werden, um im Verhältnis zum Ausland seine Schulden tragen zu können.

„Stümperhafte Rettungsversuche der Politik“

Das EZB und der Rettungsfonds ESM die Märkte beruhigten, ist für Sinn der Kern des Problems. Denn angesichts der kostenlosen Absicherung sei das Kapital wieder von den Kernländern in die Peripherie geflossen. „Auch global wurde es wieder attraktiv, Euro zu halten und auf Euro lautende Forderungstitel zu erwerben“, erläutert der Finanzexperte. „Das ist der Grund für die Aufwertung des Euros, die nun Frankreich die großen Probleme bereitet.“ Die Zentralbank könne die Aufwertung jedoch verhindern, indem sie ausländische Währungen durch Hergabe von Euro erwirbt. „Sie muss intervenieren und die eigene Währung inflationieren, bis sie das Vertrauen in den Euro wieder so weit verringert, wie sie es durch ihre Garantien erhöht hat“, fordert der Professor. Denn die Aufwertung zeige einmal mehr, welch riesige Kollateralschäden die europäische Rettungspolitik mit sich bringe. „Ohne die stümperhaften Rettungsversuche der Politik hätte die Krise den Euro in eine starke Abwertung getrieben und einen Teil der Volkswirtschaften bereits wieder wettbewerbsfähig gemacht“, ist Sinn überzeugt. „Außerdem hätten die Abwertung und die Senkung der Preise auf ganz natürliche Weise Kapital angezogen und so die Basis für ein neues Wirtschaftswachstum gelegt.“ In dieser Hinsicht müsse man Berlusconi zugutehalten, dass er dieser Erkenntnis den Weg bereitet habe.

Regling: „Wir befinden uns in einer Übergangsphase“

Klaus Regling, Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, analysiert die Entwicklung der Krise durchaus anders als Professor Sinn. Insbesondere in den südeuropäischen Ländern habe der Markt wieder Vertrauen fassen können: „Investoren, die auf eine Stabilisierung setzten, haben gut Geld verdient“, sagt er in der „WirtschaftsWoche“. „Wer im Januar 2012 zehnjährige portugiesische Staatsanleihen kaufte, ein Jahr lang hielt und dann verkaufte, machte 57 Prozent Gewinn.“ So etwas mache Eindruck am Markt und grabe sich ins kollektive Gedächtnis der Anleger. Anders als Sinn glaubt Regling jedoch nicht, dass sich diese Entwicklung negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten auswirke. Ganz im Gegenteil: „Das Wachstum ist vielerorts schwach oder negativ, in Südeuropa sind die Einkommen geschrumpft und Renten massiv gekürzt worden“, räumt er ein. „Das ist Teil des Anpassungsprozesses und sorgt dafür, dass sich in Ländern wie Irland, Griechenland und Spanien die Wettbewerbsfähigkeit verbessert – und die Staatsfinanzen gesunden.“  Zwar könne dies vorübergehend die Inlandsnachfrage schwächen. „Wir befinden uns in einer schwierigen, aber notwendigen Übergangsphase – hin zu einer Situation, in der die Wirtschaft wieder nachhaltig wachsen kann.“ Denn die Lage in Südeuropa sei durchaus vergleichbar mit vielen Wirtschaftskrisen der vergangene 30 bis 40 Jahre. Die betroffenen Länder, wie Brasilien, die Türkei, Indonesien oder Südkorea, stünden heute blendend da.

(PD)

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