Covid-19: Wie infiziert ist der Immobilienmarkt?

Der Immobilienmarkt wird sich unter dem Eindruck der Corona-Krise verändern – allerdings anders, als es manche Experten derzeit erwarten, erklärt Axel Drwenski von KGAL Investment Management auf der FondsConsult Investment-Konferenz von €uro Advisor Services.

28.10.2020 | 08:00 Uhr von «Matthias von Arnim»

„Das Unternehmen KGAL hat in den vergangenen 50 Jahren viel erlebt. Wirtschaftskrisen gehören dazu. Auch Covid ist vielleicht als Virus neu, aber nicht als Krise an sich“ sagt Axel Drwenski von KGAL Investment Management. Als er das sagt, steht er als Redner auf der Bühne des Kempinski Hotels in Berchtesgaden. Die Zuhörer im Auditorium vor ihm tragen Nase-Mundschutz-Masken.

Drwenski referiert an jenem Freitag im Oktober über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Immobilienwirtschaft. Diese Corona-Krise sei in drei Phasen zu bewältigen, erklärt Drwenski, wobei wir gerade erst am Übergang zur dritten Phase seien.

Die erste Phase sei die medizinische Herausforderung. „Es befinden sich Impfstoffe in der Entwicklung. In einigen Jahren werden wir uns daran gewöhnt haben. Man wird lernen, mit dem Virus umzugehen. Die zweite Phase ist ökonomischer Natur. Ich denke, wir werden mit den Folgen des Lockdowns und der gigantischen Schuldenaufnahme noch sehr, sehr lange zu tun haben“, so Drwenski. Die dritte Phase sei die politische und gesellschaftliche Entwicklung. Dieser Prozess sei kaum zu prognostizieren. Corona habe bereits Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Diskussionen über Sinn und Zweck verschiedener Maßnahmen würden heftiger geführt, soziale Unwuchten würden in der Krise spürbarer. Erschwerend kämen in den kommenden Monaten eine Reihe an Unwägbarkeiten hinzu: Die Wahl in den USA, der bevorstehende Brexit und die Bundestagswahl in rund einem Jahr seien Ereignisse, die unsere Zukunft in die eine oder andere Richtung entscheidend ändern könnten.

Wie wirkt Corona auf die Immobilienwirtschaft?

Grundsätzlich sei die Immobilienwelt in solchen Krisenszenarien auch immer betroffen, wenn gesellschaftliche und ökonomische Parameter sich änderten. Doch die Folgen seien nicht immer so, wie es Experten vorhersagen würden. Das könnte auch diesmal der Fall sein, so Drwenski. Derzeit liege angesichts der gefürchteten „zweiten Welle“ der Pandemie viel Unsicherheit in der Luft. Das lasse sich auch den Statistiken dieses Jahres ablesen. Die Transaktionszahlen seien im laufenden Jahr um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft, mit deutlichen Unterschieden in den Sektoren. Am meisten habe der Bereich Hotels mit minus 61 Prozent gelitten, der Büroimmobilienmarkt sei um 30 Prozent zurückgegangen, allein der Logistikmarkt legte zu. „Das ist allerdings ein sehr kleiner Markt. Er kann also keine anderen Märkte ersetzen. Schlimm traf es auch Einzelhandelsimmobilien. Die leiden allerdings schon seit Jahren unter dem Online-Handel. Covid hat den Trend hier nur beschleunigt“, erklärt Axel Drwenski.

Und doch sei Deutschland bisher aufgrund eines starken Frühjahrs und einiger Sondereffekte vergleichsweise glimpflich davongekommen. In Großbritannien brach der Umsatz um 25 Prozent ein, in Österreich habe sich der Markt halbiert, so der Experte.

Homeoffice wird nicht zu weniger Flächenbedarf führen

Es verwundere nicht, dass die Krise dazu führe, eher pessimistisch in die Zukunft der Immobilienwirtschaft zu schauen, insbesondere im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Büroimmobilienmarktes. Die allgemeine These laute: Der Trend zum Homeoffice würde den Flächenbedarf nachhaltig senken. Axel Drwenski sieht das anders. Er nennt mehrere Argumente, warum sogar das Gegenteil der Fall sein könnte. Zum Beispiel fehle vielen Büroangestellten im Homeoffice der Kontakt zu Kollegen „Kreativität passiert zufällig. Das entfällt derzeit. Viele Angestellte haben zudem gerade erlebt, wie wichtig die Trennung von Beruf und Privatleben sein kann. Außerdem beeinträchtigt das Familienleben die Arbeit. Das sind Erfahrungen, die sich auch beim Thema Homeoffice niederschlagen werden“, so Drwenski.

In diesem Zusammenhang zitiert er Ergebnisse aus einer aktuellen Umfrage: 51 Prozent der Befragten sagen, sie benötigen mehr Fläche, auch wegen der Abstandsregeln in dieser und vielleicht auch zukünftiger Pandemien.

Dass in Zukunft der Bedarf an Büroraum steigen könnte, liege an den sich verändernden Bürokonzepten. Deren Prinzip lasse sich auf den Nenner bringen: Weniger Platz für feste Arbeitsplätze, mehr Flächen für Kommunikation. Das sei die Zukunft. Denn kreatives Arbeiten werde immer wichtiger. „Und um eine Präsentation vorzubereiten, dafür braucht man Ruhe. Da kann die Arbeit im Homeoffice sehr sinnvoll sein“, so Drwenski. Die Projektarbeit mit mehreren Kollegen, die kreative Konzepte entwerfen und sich eng miteinander abstimmen müssten, sei allein über Video-Meetings dagegen schwierig. Virtuelle Konferenzen könnten den persönlichen Kontakt hier nicht ersetzen.

Dass die Corona-Krise vermutlich weniger Bremsspuren im Bereich der Büroimmobilien hinterlassen werde, zeige sich bereits jetzt: „Wir haben kaum Leerstände. Überall ist die Nachfrage nach Büroflächen nach wie vor hoch. Die Prognosen gehen dahin, dass die Spitzenmieten zwar kurzzeitig sinken, dann aber wieder weiter steigen werden“, sagt Axel Drwenski.

Zudem sei viel Kapital da. Das wolle angelegt werden. „Der Spread zwischen Bundesanleihen und Büro-Immobilien ist immer noch auskömmlich. Es gibt also keinen Druck von Seiten des risikolosen Zinses. Der Spread wird sich vermutlich sogar noch ausweiten“, so der KGAL-Experte. Axel Drwenski ist insgesamt vorsichtig optimistisch für die Branche. Seine Prognose: Gute Immobilien an guten Standorten werden auch weiterhin eine Zukunft haben. Man müsse allerdings gut diversifizieren und die verschiedenen einzelnen Sektoren kritisch bewerten. Für Wohn-, Logistik-, Einzelhandels-, Büro- und gerade Hotelimmobilien sähen die Perspektiven zum Teil sehr unterschiedlich aus.

Axel Drwenski beantwortet nach seinem Vortrag noch einige Fragen, die Teilnehmer der Konferenz an ihn stellen und bedankt sich anschließend für den Applaus. Nur wenige Tage später schließt das Kempinski seine Pforten, wie alle Hotels im Berchtesgadener Land. Der Grund: steigende Corona-Fallzahlen. 

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