Columbia Threadneedle: CIO-Ausblick EMEA 2021 - Gewissheiten und Ungewissheiten nach einem turbulenten Jahr

Zum Jahresbeginn 2020 versetzten uns verschiedene Bedrohungen in Aufregung, sei es in Verbindung mit Handelskriegen oder mit den anhaltenden politischen Unruhen in Europa und den USA.

16.02.2021 | 07:40 Uhr

Doch niemand von uns hätte mit einer globalen Pandemie gerechnet. Im März versanken die Märkte ins Chaos, als sich das Covid-19-Virus in der ganzen Welt verbreitete: Die Aktienmärkte brachen um mehr als 30 % ein, und die Kreditaufschläge weiteten sich massiv aus. Danach kam es zunächst zu einer Kursrallye, ausgelöst durch die geldpolitischen Anreize der Zentralbanken. Anschließend herrschte an den Märkten anhaltende Volatilität, und zuletzt konnten wir eine Art „Adrenalinschub“ beobachten, da die Ankündigung potenziell wirksamer Impfstoffe für Begeisterung an den Märkten sorgte.

All dies ereignete sich vor dem Hintergrund von drei Themen, die auch 2021 große Bedeutung haben werden: die Entwicklung weiterer wirksamer Covid-19-Impfstoffe, die politische Landschaft in den USA nach der Präsidentschaftswahl vom November und den kommenden Stichwahlen, die entscheiden werden, welche Partei die Mehrheit im Senat hat, sowie der Brexit.

Als Vermögensverwalter können wir nur dank unserer Fähigkeiten zu intensiven und detaillierten Analysen – was wir als „Research Intensity bezeichnen – Entscheidungen für die möglichen Szenarien und Auswirkungen der oben genannten Themen treffen. Sie helfen uns, Themen, Trends und Ereignisse zu verstehen, sie zeigen uns attraktive Anlagechancen auf und sie sorgen dafür, dass wir inmitten der „Panik“ Ruhe bewahren können.

Covid-19: Die Suche nach einem Massenimpfstoff nähert sich ihrem Ende

Als das Coronavirus erstmals ausbrach, konzentrierten wir unser Research auf die potenzielle Ausbreitung, denn diese hatte Auswirkungen auf die Welt der Unternehmen und auf das Privatleben jedes einzelnen Menschen, von Reisen und der Gesundheitsversorgung bis hin zu Banken und dem Einzelhandel.

Die Daten, die uns zur Verfügung standen, beschränkten sich auf die
Anzahl der Tests, der Krankenhauseinweisungen und der Todesfälle. Unsere Research-Teams konzentrierten sich dagegen auf die Bereiche Diagnostik, Behandlung und Impfstoffentwicklung. Mit Blick auf die Zukunft müssen wir uns darauf konzentrieren, wann erfolgreiche Impfstoffe verfügbar sein werden, wie wirksam sie sind und wer sie bekommt.

Es geht um die Frage, was wir wissen und was nicht. Wir wissen, dass für 2021 zahlreiche Impfstoffe erwartet werden. Für mindestens 30 sollen im Jahresverlauf die Ergebnisse veröffentlicht werden, wir wissen aber nicht, wie viele im Jahresverlauf zugelassen werden und wann genau das geschehen wird.

Wir wissen, dass bereits drei Impfstoffe angekündigt sind, die eine Wirksamkeit von 90 % und mehr aufweisen (beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Impfstoffe in der Regel bei einer Schutzwirkung von 50 % zugelassen werden).

Wir wissen aber nicht, worin genau sich diese Impfstoffe unterscheiden. Wir wissen, dass die breite Öffentlichkeit sich sehr schnell impfen lassen wird, wir wissen aber nicht, wie stark einzelne Teilgruppen der Bevölkerung zögern werden, sich impfen zu lassen.

Wir wissen, dass das Ende der Pandemie zwar näher rückt, dass sich die Fundamentaldaten aber zunächst verschlechtern werden, da viele Volkswirtschaften nach wie vor Lockdown-Maßnahmen verhängen – es wird erst schlimmer, bevor es dann wieder aufwärts geht.

Die Märkte blicken jedoch inzwischen über den kurzfristigen Tellerrand hinaus und sehen das erfreuliche Aufwärtspotenzial, das ein Impfstoff für eine Konjunkturerholung bedeutet. Vorher reagierten die Märkte sensibel auf jeden starken Anstieg der positiven Tests oder der Zahl der Krankenhauseinweisungen, inzwischen scheint wieder mehr Optimismus vorzuherrschen.

Aber wie wird diese Erholung aussehen? Dies wird davon abhängen, wie schnell Impfstoffe eingeführt werden, wie viele Menschen geimpft werden und wie schnell die Menschen wieder zu ihrem „normalen“ Leben zurückkehren. Im April 2020 hatten wir ursprünglich prognostiziert, dass die Erholung U-förmig verlaufen würde. Wir waren davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsaktivität bis Ende 2022 wieder das Vor-Pandemieniveau erreicht haben dürfte.

Doch angesichts der beeindruckenden Wirksamkeit der Impfstoffe von Moderna und anderen Pharmakonzernen hoffen wir nun, dass sich die Wirtschaft 2021 rascher von der Pandemie erholen könnte, als wir zunächst angenommen hatten.

Das Entscheidende für uns ist, dass wir weiterhin in den Unternehmen investiert bleiben, die es schaffen werden und letztendlich von der Wiederbelebung der Wirtschaft profitieren werden Damit könnte sich die Konjunkturerholung um ganze neun Monate beschleunigen, das heißt, wir könnten das Vor-Pandemieniveau bereits Anfang 2022 oder sogar Ende 2021 verzeichnen. Für uns ist es wichtig, dass wir weiterhin in den Unternehmen investiert sind, die diese Krise überstehen und letztlich von der Wiederöffnung der Volkswirtschaften profitieren werden.

Die Pandemie und die Lockdown-Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Verbraucher immer mehr online kaufen, auch Artikel wie Bekleidung und Schuhe, die sie früher lieber bei einem traditionellen Shopping- Bummel gekauft haben. Dadurch hat sich der Trend hin zum Online-Handel beschleunigt. Berücksichtigt man dann auch noch das Geld, das die Menschen aktuell sparen, weil sie wegen der Lockdown-Maßnahmen nicht so viel ausgeben können wie früher, dann könnte die aufgestaute Nachfrage 2021 explodieren (Abbildung 1).

Unseres Erachtens wird der größte Anstieg bei den Ausgaben für „Erlebnisse“ zu verzeichnen sein, auf die die Menschen während der Pandemie verzichten mussten (beispielsweise Freizeitaktivitäten und Reisen). Die Ausgaben für „Dinge“ (Waschmaschinen und Autos) dürften dagegen nicht so stark zunehmen. Diesen Konsumtrend hatten wir bereits einige Jahre lang beobachtet.

Abbildung 1: Kometenhafter Anstieg der Ersparnisse in den USA


Allerdings gibt es bei dieser Erholung eine Kleinigkeit zu beachten. Es könnte ein Fehler sein, davon auszugehen, dass die Menschen wieder genau wie früher in ferne Länder reisen und in Hotels übernachten. Aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft und der verstärkten Nutzung von Videokonferenzen könnte es beispielsweise durchaus sein, dass Geschäftsreisen und Geschäftsausgaben nicht wieder das Vor-Pandemieniveau erreichen. Bestimmte Hotelketten und Fluglinien, die vorrangig auf Geschäftskunden abzielen, könnten daher langsamer aus dem Covid-Winterschlaf erwachen als andere, die eher auf Urlaubsreisen ausgerichtet sind.

Den vollständigen CIO-Ausblick EMEA 2021 finden Sie hier im PDF-Format.

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