BNP Paribas: Gefahren für's Goldilocks-Szenario -Teil 2

Im zweiten Teil befasst sich BNP Paribas mit einer vierten Gefahr: der Inflation. Und analysiert, welche Folgen die verschiedenen Bedrohungen des Goldilocks-Szenarios für unterschiedliche Anleihemarktsegmente haben.

29.08.2018 | 14:37 Uhr

Wo ist Bär Nummer vier?

Im Goldilocks-Märchen kommt er nicht vor, aber in der Welt von heute gibt es einen vierten Bären – die Inflation, insbesondere in den USA. In der Tat könnte sie überraschend hoch ausfallen, da die US-Wirtschaft über dem Trend wächst, der Mangel an ausgebildeten Arbeitern zu Lohndruck führt und es immer mehr Anzeichen für steigende Kosten anderer Produktionsfaktoren gibt. Dieser Bär mag lange geschlafen haben, doch die derzeitige Konjunkturlage und die expansive Geldpolitik könnten dazu führen, dass sich das ändert.

Abbildung 1 zeigt, wie sehr sich viele Annahmen und Grundüberzeugungen der Marktteilnehmer seit Anfang 2018 geändert haben.

Abbildung  1: Überzeugungen früher und heute (Januar 2018 bis Juni 2018)

Quelle: BNP Paribas Asset Management, Stand Juni 2018*

Auswirkungen auf die Positionierung: Wo wir Chancen sehen und wo noch nicht

Wenn wir unsere Strategien für das laufende Jahr überdenken, machen wir uns trotz der derzeitigen Herausforderungen keine allzu großen Sorgen.

Die Weltkonjunktur bleibt stabil, zumindest gemessen an den niedrigeren Standards der Nachkrisenzeit. Die stets genau beobachteten Einkaufsmanagerindizes (PMIs) signalisieren zwar kein steigendes Wachstum mehr, aber noch immer ein hohes. Die Exporte Nordasiens, meist ein aussagekräftiger Frühindikator für den Weltexport und damit für die Weltnachfrage, sind zuletzt gestiegen.

Die meisten Notenbanken bleiben vorsichtig und verabschieden sich allmählich von der extrem expansiven Geldpolitik. Beispielsweise hat die EZB signalisiert, dass sie ihren Leitzins nach der Rückführung der Anleihekäufe längere Zeit unverändert lassen will, womöglich bis zum 4. Quartal 2019. Es scheint auch noch lange zu dauern, bis die japanische Notenbank ihre Zinsstrukturkurvensteuerung maßgeblich verändert. Die Fed hat sich entschieden, die expansive Fiskalpolitik nicht mit massiven Zinserhöhungen zu beantworten. Sie akzeptiert damit das Risiko eines ausgeprägten Inflationsanstiegs als Preis für einen längeren Aufschwung.

Und doch wäre es falsch, weiter an einen problemlosen weltweiten Aufschwung zu glauben. Jetzt wird die Konjunktur von der Fiskalpolitik getrieben, mit den hoch verschuldeten USA an der Spitze. Ob das schon bald zu Problemen führt oder dem US-Aufschwung durch höhere Produktivität und höheres Trendwachstum neues Leben einhaucht, bleibt abzuwarten.

Assetklasseneinschätzungen

Emerging-Market-Anleihen: Die Kombination aus expansiver Fiskalpolitik und einer langsamen Straffung der Geldpolitik in den USA hat zu Mittelabflüssen aus den Emerging Markets geführt. Die Notenbanken vieler Schwellenländer haben die Geldpolitik stärker gestrafft, als es das Wirtschaftswachstum erfordert – um ihre Währungen zu stützen und die Inflation unter Kontrolle zu halten. Schwellenländer mit hohen Leistungsbilanzdefiziten und hohen US-dollardenominierten Unternehmensschulden mussten besonders hohe Mittelabflüsse und Währungsabwertungen hinnehmen.

Wir glauben, dass das Umfeld ungünstig bleibt. Doch so sehr wir uns der Risiken durch Protektionismus, eine überraschend hohe US-Inflation und einen möglichen anhaltenden Abschwung in China bewusst sind: Wir wissen auch, dass die Bewertungen der Assetklasse jetzt wieder auf einem Niveau sind, auf dem man sie sich genauer ansehen sollte. Dies gilt vor allem für Mehrsektorenstrategien, restriktionsfreie Strategien und Absolute Return, wo die Bewertungen gegenüber anderen Assetklassen von besonderem Interesse sind. Bevor wir aber wieder in großem Umfang in Emerging-Market-Anleihen investieren, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

  • Short-Positionen im US-Dollar: Wir haben es fast geschafft. Entscheidend ist die Markttechnik, insbesondere bei Währungen. Unser erstes Kriterium war, dass die großen Short-Positionen im US-Dollar zunächst glattgestellt sein müssen, bevor wir über Neuinvestitionen nachdenken. Jetzt sind die Marktteilnehmer Long-Positionen im US-Dollar gegenüber den asiatischen Währungen und dem Euro eingegangen. Umfragen zeigen, dass die Portfoliomanager netto in Emerging-Market-Währungen noch immer long positioniert sind. Doch im Juni gingen die Long-Positionen so stark zurück wie seit vielen Jahren nicht mehr. Wir haben daraufhin aus taktischen Gründen in einige überverkaufte Währungen investiert, insbesondere in Asien.
  • Höheres Wachstum der Schwellenländer: Daran glauben wir noch nicht. Die Daten sprechen dafür, dass das Emerging-Market-Wachstum zuletzt nicht weiter zugelegt hat, und erst kürzlich sahen wir einen deutlichen Rückgang etwa beim Außenhandel und der Industrieproduktion. Bis jetzt gibt es nichts, was uns an ein Ende des Abschwungs denken lässt. Wir erwarten aber auch keine Rezession und sprechen nur von einem „Wachstumsrückgang“. Angesichts des drohenden Handelskriegs halten wir es für noch wichtiger als bisher, zunächst auf Anzeichen für neues Wachstum zu warten, bevor wir eine direktionale Position eingehen.
  • Zinspause in den USA: Davon sind wir meilenweit entfernt. Zurzeit spricht eher alles für ein anhaltend hohes US-Wachstum, eine höhere US-Inflation und steigende US-Zinsen. Wir sehen keinen Grund, warum sich daran etwas ändern sollte. Das größte Risiko für eine Erholung der Emerging Markets bleibt eine straffere US-Geldpolitik.

Internationale Unternehmensanleihen: Bis zum Jahresende sehen wir hier nur wenige neue Investmentthemen. Auch wenn das Wachstum mancherorts zurückgeht, bleibt das Rezessionsrisiko kurzfristig niedrig. Wir erwarten sowohl für die USA als auch für Europa weitere Fusionen und Übernahmen, was für Druck auf Emittenten mit BBB-Rating und Titel mit längeren Laufzeiten führen könnte. Optimistisch sind wir daher für kurz laufende US-Investmentgrade-Anleihen. Deren Renditen sind zurzeit so hoch wie seit der Krise nicht mehr. In Europa dürften sich die Spreads unterdessen etwas ausweiten, da das Wachstum nachlässt, die Politik für neue Schlagzeilen sorgt und die Wertpapierkäufe der EZB zwangsläufig zu Ende gehen müssen. Bei High-Yield-Anleihen bevorzugen wir die USA gegenüber Europa, da hier das Wachstum stärker ist und weniger Anleihen ausgegeben werden. In Europa sehen wir bei einigen Emittenten erste Probleme aufgrund von Gewinnwarnungen und Zöllen. Wenn die Investoren höhere Kreditrisikoprämien verlangen, steigen für die schwächsten Emittenten die Refinanzierungskosten.

US-amerikanische Agency Mortgage-Backed Securities (Agency-MBS): Hier sind die Bewertungen günstiger geworden und scheinen jetzt attraktiv. Wir halten Ausschau nach neuen Einstiegszeitpunkten für taktische Long-Positionen gegenüber US-Staatsanleihen. Die gute relative Performance gegenüber Credits dürfte anhalten. Wir trauen dem Sektor attraktivere Renditen bei einer niedrigeren Duration, höherer Kreditqualität und besserer Liquidität zu. Da mehr Hypothekenanleihen ausgegeben wurden, kommt es jetzt zu weniger Neuemissionen zu Refinanzierungszwecken. Dies gleicht die geringere Nachfrage in Folge der Bilanznormalisierung der Fed teilweise aus.

Die Credit Risk Transfer Spreads (CRT-Spreads) der kreditsensitiven Residential Mortgage-Backed Securities (RMBS) haben sich hingegen ausgeweitet. Sie reagierten damit auf Sorgen bezüglich eines steigenden Angebots und der generellen Marktvolatilität. Der Fundamentalausblick für Immobilienkredite ist positiv, da es weniger Zahlungsausfälle gibt, die Hauspreise steigen und die Arbeitslosenquote noch immer sehr niedrig ist. Die Spreads von Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS) waren trotz der Aktienmarktvolatilität und der hohen Emissionsvolumina stabil. Die Preise von Gewerbeimmobilien steigen weiter; dies gilt für alle Marktsegmente mit Ausnahme von Einkaufszentren. Die Kreditperformance von CMBS bleibt gut, da die Mieten steigen und die Leerstandsquoten niedrig sind. Wir behalten unsere Übergewichtungen von RMBS und CMBS bei.

BNP Paribas: Gefahren für's Goldilocks-Szenario -Teil 1
„Drei Bären“ können das Umfeld für risikobehaftete Wertpapiere deutlich schwieriger machen. Bis es so weit ist, bleiben die Märkte anfällig – und die Volatilität könnte steigen.

*Die ungekürzte Fassung dieses zweiteiligen Beitrags erschien erstmals am 12. Juli im Fixed-Income-Quartalsausblick – Q3 2018 von BNP Paribas Asset Management.

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