BNP Paribas: Gefahren für's Goldilocks-Szenario -Teil 1

„Drei Bären“ können das Umfeld für risikobehaftete Wertpapiere deutlich schwieriger machen. Bis es so weit ist, bleiben die Märkte anfällig – und die Volatilität könnte steigen.

27.08.2018 | 14:47 Uhr

Anfang 2018 glaubten nahezu alle an das Goldilocks-Szenario – hohes synchrones Weltwirtschaftswachstum und moderate Inflation. Zusammen mit der expansiven Geldpolitik in den Industrieländern, , würde dies für anhaltende Kursgewinne risikobehafteter Anlagen sorgen, so die allgemeine Meinung.

Wie wir in unserem Ausblick für das 2. Quartal geschrieben haben, lagen die ersten Zweifel an dieser seinerzeit heilen Welt noch nicht lange zurück. Die hohe US-Inflation führte Anfang des 2. Quartals zu neuen geldpolitischen Erwartungen. Infolgedessen schnellten die Anleiherenditen nach oben, worunter weltweit die Aktienperformance litt. Als die Aktienvolatilität dadurch ebenfalls stieg, mussten quantitative Handelsstrategien ihre Short-Positionen in Volatilität glattstellen, und das an nahezu allen Märkten. Dies führte zu einem Teufelskreis; die Volatilitätsmaße stiegen weiter, was den Abschwung an den Aktienmärkten, aber auch bei anderen risikobehafteten Wertpapieren verstärkte. Trotz des turbulenten Beginns des 2. Quartals beruhigte sich die Lage aber wieder. Die Anpassung an höhere erwartete Zinsschritte verlief dann recht problemfrei.

Nach der Volatilitätsspitze zurück zu Goldilocks?

Man könnte daher eine rasche Rückkehr zum Goldilocks-Szenario erwarten. Doch drei Entwicklungen scheinen dem im Wege zu stehen:

  • Erstens nahmen weltweit die Handelskonflikte zu, als andere Länder auf die neuen US-Zölle reagierten und die Trump-Administration nicht nur angebliche Wettbewerber, sondern auch einige der engsten Verbündeten der USA irritierte. Man fürchtete, dass die Weltwirtschaft und die Unternehmensgewinne nicht mehr so stark wachsen würden.
  • Erneut kam es zu einem Ausverkauf von Aktien und Spreadprodukten. Diesmal war er umfassender, da Assetklassen und Branchen, die die Volatilität überstanden hatten (wie Emerging-Market-Anleihen) jetzt mit höheren Zinsen und niedrigerer Liquidität konfrontiert waren.
  • Zu den Zweifeln am Goldilocks-Szenario kamen Wirtschaftsdaten hinzu, die auf ein höheres Wachstum in den USA als in Europa, China und dem übrigen Asien hindeuteten. Der Glaube der Märkte an ein hohes synchrones Weltwirtschaftswachstum wurde erschüttert.

„Klopf, klopf, klopf, wir sind die drei Bären“

Damit standen die drei Bären vor der Tür: Neue Anzeichen für ein unterschiedlich hohes Wirtschaftswachstum in den wichtigen Weltregionen, ein stärkerer US-Dollar und zunehmender US-Protektionismus. Betrachten wir sie der Reihe nach:

  1. Man begann am hohen Wachstum wichtiger Volkswirtschaften zu zweifeln und schien Wachstumsdefizite auszumachen. Im Euroraum, der vielleicht entscheidend für die Wachstumsbeschleunigung im Jahr 2017 war, gingen die Konjunkturindikatoren maßgeblich zurück – eine Entwicklung, die sich jetzt allmählich auch in den harten Zahlen zeigt. Auch in Japan ließ die Dynamik nach, ebenso wie in einigen großen Emerging-Market-Ländern. In China haben staatliche Bemühungen um einen Schuldenabbau bei einigen großen Staatsunternehmen und Kommunen die Konjunktur gedämpft, sodass die Notenbank die Mindest­reserveanforderungen senkte, um gezielt kleinere Unternehmen zu unterstützen. Die Stabilität der US-Wirtschaft mag ermutigend sein, doch anderswo enttäuscht das Wachstum. Doch auch die Stabilität in den USA ist nicht frei von Risiken: Ein „Tightening Tantrum“ ähnlich dem Renditeanstieg im 1. Quartal könnte sich leicht wiederholen. Noch immer unterschätzt man an den Märkten die Entschlossenheit der Fed, die Geldpolitik 2019 allmählich zu straffen. Wenn die Angst vor US-Protektionismus nachlässt und die Inflation weiter steigt, könnte die US-Zehnjahresrendite schnell wieder über 3% steigen. Es ist das Tempo eines solchen Renditeanstiegs, das risikobehafteten Wertpapieren schadet. Wie wir schon oft gesehen haben, ist die Veränderungsgeschwindigkeit wesentlich wichtiger als der Endwert. Sie hat deutlich größere Auswirkungen auf die Bewertung von Credits und anderen Spreadprodukten mit einer Risikoprämie
  2. Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro, dem Pfund und vielen Emerging-Market-Währungen die Richtung gewechselt. Dass viele Beobachter 2017 mit einem schwächeren US-Dollar rechneten, schien ohnehin fragwürdig, da die Fed den übrigen Industrieländernotenbanken sowohl bei der klassischen Straffung der Geldpolitik als auch beim Abbau des Quantitative Easing deutlich voraus war. Dennoch war der Konsens, dass der US-Konjunkturzyklus in die Jahre gekommen sei und langfristige Zweifel an der Nachhaltigkeit der Verschuldung zu einer strukturellen Dollarabwertung führen würden. Jetzt haben höhere US-Kurzfristzinsen den US-Dollar von einer Finanzierungswährung zu einem Carry Trade gemacht, sodass die US-Währung wieder aufwertet. Zu Beginn des 2. Quartals, als die Wachstumsdifferenz immer größer wurde, wurden Short-Positionen im US-Dollar durch Long-Positionen ersetzt. Je stärker die US-Wirtschaft im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften wird, desto mehr Investoren werden ihre Short-Positionen im US-Dollarglattstellen.
  3. Die US-Außenhandelspolitik sorgt immer wieder für neue Spannungen mit wichtigen Handelspartnern. Wir haben nie bezweifelt, dass die Trump-Administration die US-Industrie wiederbeleben und bilaterale Handelsdefizite abbauen will – mit Zöllen als Druckmittel, aber auch als ein echtes Instrument, wenn es anders nicht geht. Wir schätzen es, wenn andere Länder internationale Regeln respektieren und den Freihandel verteidigen, aber uns ist auch bewusst, dass sie sich aus politischen Gründen mit Vergeltungszöllen gegen die US-Zölle wehren müssen.

Außenhandelspolitik: Ist die Realität so schlimm wie die … Angst davor?

Leider können die Handelskonflikte in den nächsten Monaten eskalieren, weil alle Seiten glauben, in der stärkeren Verhandlungsposition zu sein. Vor allem die USA sind davon überzeugt, dass allein das enorme Ausmaß ihrer bilateralen Handelsbilanzdefizite mit der EU und China und die starke Exportabhängigkeit beider Volkswirtschaften die eigene Verhandlungsposition deutlich stärken. Das hohe US-Wachstum und die starke Unterstützung der Republikaner für Trump bestätigen die Administration darin, bei Handelskonflikten auch kurzfristige Belastungen hinzunehmen. Dieses Denken hat eine gewisse Logik, doch da die Trump-Administration an vielen Fronten gleichzeitig kämpft, dürfte sie es überreizen.

Abbildung 1: Wäre mehr oder weniger Handel mit anderen Ländern besser für die US-Wirtschaft?

Quelle: Verbraucherbrefragung der University of Michigan, Stand: 29.06.2018

Bei den konkreten Konflikten fällt es aber schwer, sich eine rasche Lösung vorzustellen. Der Streit um ChinasUmgang mit geistigen Eigentumsrechten wird sich nur schwer zur beiderseitigen Zufriedenheit lösen lassen. China hat einen starken Anreiz, im Rahmen von „Made in China 2025“ auf einen Technologietransfer aus dem Ausland zu bestehen, damit Chinas mehrwertintensive Hightech-Firmen zu Weltmarktführern werden. Unterdessen sehen die USA darin immer mehr eine langfristige strategische Bedrohung und dürften daher kaum nachgeben.

Beim NAFTA-Konflikt macht es die gemeinsame Verhandlungsposition von Mexiko und Kanada für die USA nicht einfach, Forderungen nach einem höheren Anteil nordamerikanischer Vorprodukte und einer Auslaufklausel Nachdruck zu verleihen. Es wird daher wahrscheinlicher, dass die Trump-Administration einen möglichen Rückzug aus dem Freihandelsabkommen signalisiert, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Schließlich könnte es auch zu Problemen führen, dass Trump jetzt das Thema Autos entdeckt hat. Zumindest aber bezweifeln wir, dass die USA zu einem Verzicht auf ihre hohen Zölle auf LKW-Importe bereit sind. Aber genau das wird die EU vermutlich fordern.

Darüber hinaus könnten Unternehmen aus den US-Zöllen gegen China schlussfolgern, dass auch Zölle gegen andere Länder – und entsprechende Gegenmaßnahmen – wahrscheinlicher werden. Darunter könnte das Geschäftsklima leiden. Die Unternehmen werden weniger Mitarbeiter einstellen und Investitionen hinauszögern, was am Ende das Wirtschaftswachstum belasten wird. Das wachsende Risiko eines umfassenden Handelskriegs wird auch an der Börse nicht spurlos vorübergehen und die Haushalts- und Unternehmensausgaben weiter dämpfen. Ein großer Handelskrieg mit hohen Schutzzöllen und massiven Unterbrechungen internationaler Lieferketten lässt sich vielleicht vermeiden. Doch allein schon das Szenario, in dem Unternehmen und Haushalte dies für wahrscheinlicher halten als bislang, könnte gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Im zweiten Teil dieses Beitrags befassen wir uns mit einem „vierten Bären“ in der Goldilocks-Welt – und den Auswirkungen aller vier Bären auf unterschiedliche Anleihemarktsegmente.

*Die ungekürzte Fassung dieses zweiteiligen Beitrags erschien erstmals am 12. Juli im Fixed-Income-Quartalsausblick – Q3 2018 von BNP Paribas Asset Management.

BNP Paribas: Gefahren für's Goldilocks-Szenario -Teil 2
Im zweiten Teil befasst sich BNP Paribas mit einer vierten Gefahr: der Inflation. Und analysiert, welche Folgen die verschiedenen Bedrohungen des Goldilocks-Szenarios für unterschiedliche Anleihemarktsegmente haben.


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