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Christian Waigel: „Eigentlich ein Verbot von Bestandsprovisionen für die Vermittlung von Finanzinstrumenten.“

Dr. Christian Waigel
Regulierung

Dr. Christian Waigel, Rechtsanwalt und Partner von Waigel Rechtsanwälte, über die Folgen der EU-Kleinanlegerstrategie für Anlageberatung und Finanzanlagenvermittlung

30.06.2023 | 12:15 Uhr von «Uli Lohrer»

TiAM FundResearch: Herr Dr. Waigel, Sie haben die Ende Mai verkündete EU-Kleinanlegerstrategie analysiert. Ein von der Branche zunächst befürchtete allgemeine Provisionsverbot blieb aus, allerdings soll es vollständig für die Vermögensberatung gelten. Welche Folgen hat dies?

Dr. Christian Waigel: Für die Vermögensverwalter ändert sich damit nicht viel, da sie bereits seit 2018 mit der Umsetzung von MIFID II die von den Produktanbietern erhaltene Bestandsprovisionen an ihre Kunden weiterleiten müssen. Nun dürfen sie generell keine Provisionen mehr annehmen. Für die Vermögensverwalter gilt dieses strenge Provisionsverbot, da sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Orders für die Kunden geben, eigenes Ermessen ausüben und dies ist nicht durch Provisionen beeinflusst werden soll.

Auch für die beratungsfreie Vermittlung von Finanzinstrumenten wie etwa durch Neobroker oder Direktbanken soll künftig ein Provisionsverbot gelten?

Ja, im Falle einer Weiterleitung von Orders –recieve and transmission of orders, in Deutschland Anlagevermittlung – oder Ausführung von Orders für Privatkunden soll es Instituten verboten sein, Zahlungen entgegenzunehmen oder zu leisten. Das bedeutet eigentlich ein Verbot von Bestandsprovisionen für die Vermittlung von Finanzinstrumenten. Dies betrifft nicht nur Direktbanken, sondern auch Filialbanken, wenn sie Order ohne Beratung ausführen. Die Provisionen werden in der Regel auf Basis von Kooperations- und Vermittlungsverträgen für die Vermittlung von Beständen an Finanzinstrumenten gezahlt und vereinnahmt. Da die Provisionsabwicklung in der Regel über Verwahrstellen und Depotbanken durchgeführt wird, die den MiFID II-Regelungen unterworfen sind, bedeutet der Vorschlag eine Unterbrechung dieser Zahlungskette. Depotbanken und Verwahrstellen wäre es nicht mehr erlaubt, für vermittelte Bestände von Produktgebern, wie etwa Fondsgesellschaften, Provisionen entgegenzunehmen und diese an andere Institute oder Vermittler weiterzuleiten.

TiAM FundResearch: Was passiert mit den bereits bestehenden Provisionsverträgen zwischen Vermittler und den Provisionsgebern?

Die Vertragsparteien haben 18 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie Zeit, um diese alten Verträge umzustellen. In den neuen Verträgen müssen sie generell auf Provisionen verzichten oder diese an die Anleger weiterleiten.

Über Finanzportale werden auch Versicherungen ohne persönliche Beratung vermittelt. Gilt auch hier das Provisionsverbot?

Für die Vermittlung von Versicherungen, insbesondere von versicherungsbasierten Anlageprodukten, sollen sehr ähnliche Maßnahmen wie bei den Finanzanlagen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler gelten.

In Ihrer Analyse der EU-Kleinanlegerstrategie haben Sie auf Probleme der Abgrenzungsprobleme und mit der Umsatzsteuer hingewiesen. Was verstehen Sie darunter?

Künftig könnte nur noch der beratene Bestand verprovisioniert werden, nicht aber der lediglich vermittelte Bestand. Es wäre abzugrenzen, wann und wie lange die Zahlungen noch zulässig für eine Anlageberatung erfolgen und ab wann sie für eine Bestandshaltung unzulässig würden. Dazu kommt das Problem der Umsatzsteuer. Nur die Vermittlung von Finanzinstrumenten ist nämlich umsatzsteuerbefreit, für die Anlageberatung und ihre Vergütung wäre Umsatzsteuer fällig. Wenn wegen des Wegfalls der Provisionen die Gebühren für die Kunden generell erhöht werden, käme dies für beratene Kunden besonders teuer, da sie zudem Umsatzsteuer zahlen müssten.

Dabei ist es doch das vorrangige Ziel der EU-Kleinanlegerstrategie, die Kosten für die Anleger zu senken und für rentablere Anlagen zu sorgen?

Ja, das ist richtig. Wenn Zahlungen der Produktanbieter für Provisionen entfallen, ist aber auch zu erwarten, dass deren laufende Verwaltungskosten sinken. Zudem sieht die Kleinanlegerstrategie auch detaillierte Neuregelungen zu den Kosten von Finanzinstrumenten vor. So werden die Vorgaben zu Product Governance um einen sogenannten Preisbildungsprozess ergänzt.

Was ist unter diesem Preisbildungsprozess zu verstehen?

In diesem Prozess soll zunächst eine Identifizierung und Quantifizierung aller Kosten und Gebühren vorgenommen werden. Anhand von Kosten-Benchmarks entscheidet dann die Zulassungsbehörde, ob die Kosten für das jeweilige Wertpapier oder Finanzanlageprodukt entsprechend seiner Merkmale, Ziele und Strategie und seiner Wertentwicklung gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

Wie könnte dies in der Praxis umgesetzt werden?

Die Emittenten müssen die Kosten ihrer Finanzinstrumente, einschließlich aller Vertriebskosten, sowie Daten über die Merkmale des Finanzinstrumentes wie Wertentwicklung und Risikoniveaus der nationalen Aufsichtsbehörde – in Deutschland die BaFin - melden. Auch Vertriebsunternehmen wie Banken müssen bewerten, ob die Kosten der angebotenen oder empfohlenen Wertpapiere gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Die nationalen Aufsichtsbehörden leiten diese Informationen an die Europäische Wertpapier- und Aufsichtsbehörde ESMA weiter, die daraus für die jeweiligen Produktkategorien mit vergleichbaren Leistungs-, Risiko-, Strategie- und Ziel-Merkmale Benchmarks der Kosten ermittelt. Weichen die Kosten erheblich von den jeweiligen Benchmarks ab, kann die nationale Aufsichtsbehörde die Neuzulassung des Finanzprodukts untersagen.

Wie will die EU dafür sorgen, dass auch der Vertrieb bzw. die Finanzberatung günstige Finanzinstrumente empfiehlt?

Auch Vertriebsunternehmen wie Banken müssen dokumentieren, welche Produkte sie zu welchen Kosten vermitteln. Werden Produkte zu überhöhten Kosten vermittelt, ist es Aufgabe der Wirtschaftsprüfer dies feststellen und zu verhindern. Zudem gilt eine Anlageberatung „im besten Interesse“ des Kunden nur als erbracht, wenn die kosteneffizientesten Finanzinstrumente empfohlen wurden. Damit dieses Gebot nicht umgangen wird, werden die Berater verpflichtet, aus dem Kreis der für den Kunden geeigneten Finanzinstrumente auch Alternativen ohne zusätzliche Ausstattungsmerkmale anzubieten, die für die Kundenziele nicht notwendig sind und die Zusatzkosten verursachen würden. Der Nachweis, welche Produkte empfohlen wurden, lässt sich dann relativ leicht anhand der Beratungsprotokolle nachvollziehen.

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