Die Fixed Income-Portfoliomanager Tom Ross und Tim Winstone analysieren, welche Vorteile das Streben von Unternehmensemittenten nach Verbesserungen sowohl für Unternehmen als auch für Investoren mit sich bringen kann.
03.01.2022 | 09:37 Uhr
Im Jahr 2021 gab es keinen Mangel an Sportereignissen. Die Begeisterung für den Wettkampf, für den Aufstieg in der Rangliste und für die Augenblicke von Ruhm und Anerkennung ist ein wichtiger Motivationsfaktor. In der Unternehmenswelt herrscht ebenfalls ein Wettkampf: Unternehmen sind bestrebt, die Renditen für ihre Aktionäre und andere Stakeholder zu steigern.
2021 war für den Sport ein besonderes Jahr, denn die Fußball-Europameisterschaft 2020 und die Olympischen Sommerspiele 2020 trugen jeweils die Bezeichnung des Vorjahres. Unseres Erachtens kam es in der Welt der Unternehmensanleihen zu einem ähnlichen Phänomen: Die Anleihen von Unternehmen sind nach wie vor mit den Bonitätsratings des vorigen Jahres bewertet.
Als 2020 die Coronavirus-Pandemie ausbrach, herrschte die Sorge, dass Unternehmen durch die Schließung von weiten Teilen der einzelnen Volkswirtschaften geschwächt würden. Viele Unternehmen haben sich an die Kapitalmärkte gewandt, um die schwierigen Tage der Umsatzausfälle zu meistern. Entweder warben sie Eigenkapital von Aktionären ein oder sie nahmen Darlehen von Banken oder anderes Fremdkapital durch die Emission von Anleihen auf. Insgesamt erhöhte sich der Verschuldungsgrad sowohl im Investment-Grade- als auch im Hochzinssegment. Ratingagenturen versuchten, die COVID-19-Schwierigkeiten außen vor zu lassen, doch angesichts der hohen Unsicherheit musste die Kreditwürdigkeit der Unternehmen an den gegebenen Maßstäben gemessen werden.
Folglich war 2020 ein Jahr, in dem deutlich mehr Unternehmensanleihen herab- als heraufgestuft wurden. In den USA stürzte beispielsweise das Verhältnis von Herauf- zu Herabstufungen auf den tiefsten Stand seit zehn Jahren.
Abbildung 1: US-Unternehmensratings und Verhältnis von Herauf- zu Herabstufungen
Quelle: Bloomberg, S&P Ratings, Unternehmensratings, Alle (Investment Grade und High Yield), USA, Q1 2011 bis Q4 2021 (Q4 2021 bis zum 18. November 2021).
2021 setzte dann eine kräftige Erholung ein, das Verhältnis stieg auf deutlich über 1, es wurden als erheblich mehr Ratings herauf- als herabgestuft. Unterstützt wurde dies durch die Erholung der Cashflows und Unternehmensgewinne. Die Bilanzen haben sich verbessert, denn Unternehmen haben das Niedrigzinsumfeld genutzt, um sich zu attraktiven Zinsen zu refinanzieren.
Diese positive Dynamik der Heraufstufungen von Unternehmensanleihen hat bedeutende Auswirkungen auf die Aussichten für die „Rising Stars“. Hierbei handelt es sich um High-Yield-Emittenten, die in die Kategorie Investment Grade hochgestuft werden. In der Regel ist dies mit weiteren Zuwächsen verbunden, denn Ratingagenturen stufen das Rating einer Anleihe Zug um Zug um eine oder zwei Stufen nach oben, im Fall von S&P beispielsweise von BB- zu BB+ und dann zu BBB-.
2020 wurden so viele Unternehmen herabgestuft, dass ein ganzer Pool von Unternehmen entstand, deren Ratings knapp unter Investment Grade liegen und bald wieder in das Investment-Grade-Segment aufsteigen könnten. JPMorgan geht davon aus, dass bis Ende 2022 weltweit Unternehmensanleihen im Volumen von bis zu 277 Milliarden US-Dollar diesen Schritt vollziehen könnten (sofern es nicht zu einem erneuten wirtschaftlichen Schock kommt).
Abbildung 2: Volumen der „Rising Stars“ dürfte steigen, wenn sich Erholungskurs festigt
Quelle: J.P.Morgan, ohne Emittenten aus Schwellenländern; Stand: 30. September 2021. Daten nach 2020 sind Schätzungen und es gibt keine Garantie dafür, dass sich Trends der Vergangenheit fortsetzen oder dass Prognosen eintreffen werden.
Warum ist das wichtig? Nun, die Kostenunterschiede zwischen einem High-Yield- und einem Investment-Grade-Rating sind für Unternehmen nach wie vor erheblich. Beispielsweise liegt der durchschnittliche Credit Spread bei einer High-Yield-Anleihe mit BB-Rating bei 218 Basispunkten (Bp.), bei einer Investment-Grade-Anleihe mit BBB-Rating sind es dagegen 115 Bp. – ein Spread-Unterschied (218 minus 115) von 103 Bp. In Europa ist dieser Spread-Unterschied noch stärker ausgeprägt: Hier liegt der durchschnittliche Credit Spread von BB-Anleihen bei 256 Bp. gegenüber 114 Bp. für das BBB-Segment.1
Tatsächlich ist das Spread-Verhältnis (BB-Spread geteilt durch
BBB-Spread) historisch gesehen relativ hoch. Dies könnte so ausgelegt
werden, dass BB-Anleihen ein besseres Wertpotenzial bieten als
BBB-Anleihen.
Diese Spread-Unterschiede von 100 Bp. und mehr bieten die Möglichkeit, von einer Spread-Verengung zu profitieren, wenn einzelne Anleihen in den Bonitäts-Ranglisten aufsteigen. Daraus kann eine Win-Win-Situation für sowohl Investoren als auch Emittenten entstehen: Anleger profitieren davon, dass es bei bestehenden Anleihen zu Kurskorrekturen nach oben kommt, wenn die Renditen sinken, und Unternehmen profitieren von sinkenden Kreditkosten.
Die Gründe für Heraufstufungen sind ganz unterschiedlich. Beispielsweise wurde Fiat Chrysler im Januar hochgestuft, als Fiat Chrysler mit dem besser bewerteten Autobauer Peugeot fusionierte und daraus dann Stellantis hervorging. Positiv wirkten auch die Erwartungen, dass sich die Autoindustrie von dem durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Abschwung erholen werde. Der brasilianische Fleischproduzent JBS wurde im November 2021 hochgestuft. Auslöser waren die starke Proteinnachfrage im Zuge der Erholung der US-Wirtschaft sowie die positive freie Cashflow-Generierung des Unternehmens.
Für einige Unternehmen waren die Störungen und Unterbrechungen, die durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns ausgelöst wurden, nicht nur negativ, denn sie führten zu einer Veränderung der Verbrauchergewohnheiten. Einer der größten Nutznießer war der Streaming-Dienst Netflix: Da die Menschen wegen der Ausgangsbeschränkungen in den eigenen vier Wänden bleiben mussten und keine Freizeitangebote außer Haus nutzen konnten, stiegen die Abonnentenzahlen des Unternehmens sprunghaft an. Folglich stufte S&P das Rating von Netflix im Oktober 2021 auf Investment Grade herauf und begründete dies mit den besseren Margen von Netflix und den positiven Cashflow-Erwartungen.
Es kann sich für Anleger somit lohnen, Unternehmen zu identifizieren, bei denen es zu einer Heraufstufung kommen könnte. Dies ist auch einer der Gründe, warum das Crossover-Segment zwischen Investment Grade und High Yield unseres Erachtens einer der attraktivsten Bereiche für die Suche nach Rendite im Fixed-Income-Bereich bleibt.
1Quelle: Bloomberg, ICE BofA BBB US Corporate Index, ICE BofA BB US High Yield Index, ICE BofA BBB Euro Corporate Index, ICE BofA BB Euro High Yield Index, Govt OAS, 18. November 2021. Ein Basispunkt entspricht einem Hundertstel eines Prozentpunkts. 1 Bp. = 0,01 %, 100 Bp. = 1 %.
Credit Spread: Die
Renditedifferenz (in der Regel ausgedruckt in Basispunkten) einer
Unternehmensanleihe (oder eines Anleihenindex) gegenüber einer
entsprechenden Staatsanleihe.
Crossover-Segment: Der Ratingbereich rund um die Schwelle zwischen Investment Grade und High Yield.
High Yield: Eine Anleihe
mit einem Rating unter Investment Grade, Man spricht hier auch von
Anleihen ohne Investmentqualität („Sub-Investment Grade“). Diese
Anleihen haben ein höheres Zahlungsausfallrisiko und werden daher in der
Regel mit einem höheren Kupon begeben, der das zusätzliche Risiko
kompensiert.
Investment Grade: Eine
Anleihe, die in der Regel von Regierungen oder Unternehmen mit relativ
geringem Zahlungsausfallrisiko begeben wird. Die höhere Qualität dieser
Anleihen spiegelt sich in dem höheren Rating wider.
Verschuldungsgrad: die Höhe der Schulden eines Unternehmens.
Heraufstufung/Herabstufung:
Eine Anleihe wird herauf- oder hochgestuft, wenn ihr ein höheres Rating
verliehen wird, beispielsweise BB+ anstatt BB. Eine Herabstufung ist
dann gegeben, wenn das Rating einer Anleihe nach unten korrigiert wird.
Ratings/Kreditratings:
Eine Bewertung, die einem Kreditnehmer auf der Grundlage seiner
Kreditwürdigkeit zugewiesen wird. Das Rating kann eine Regierung oder
ein Unternehmen betreffen, oder auch nur einzelne Schuldtitel oder
Finanzverbindlichkeiten dieser Regierungen oder Unternehmen. Eine
Körperschaft, die Investment-Grade-Anleihen ausgibt, hat in der Regel
ein höheres Kreditrating als eine, die hochverzinsliche Anleihen
(„High-Yield-Anleihen“) ausgibt. Das Rating wird normalerweise von
Ratingagenturen wie Standard & Poor’s oder Fitch vergeben, die
standardisierte Bewertungen wie „AAA“ (ein hohes Kreditrating) oder „B-“
(ein niedriges Kreditrating) verwenden. Moody's, eine andere weithin
bekannte Ratingagentur, verwendet mit Aaa (ein hohes Kreditrating) und
B3 (ein niedriges Kreditrating) ein etwas anderes Format (siehe Tabelle
unten). Das Ratingspektrum beginnt oben bei AAA (höchste Qualität) und
geht dann im Alphabet abwärts bis zu C und D. Diese Ratings
signalisieren, dass ein Emittent ausfallgefährdet ist oder bereits in
Zahlungsverzug geraten ist.
Die vorstehenden Einschätzungen sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und können von denen anderer Personen/Teams bei Janus Henderson Investors abweichen. Die Bezugnahme auf einzelne Wertpapiere, Fonds, Sektoren oder Indizes in diesem Artikel stellt weder ein Angebot oder eine Aufforderung zu deren Erwerb oder Verkauf dar, noch ist sie Teil eines solchen Angebots oder einer solchen Aufforderung.
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