ODDO BHF - " Wir werden wohl länger als gedacht mit höheren Zinsen leben müssen"

Verfasst von: Prof. Dr. Jan Viebig CIO ODDO BHF SE
Investment View

Je näher wir der erwarteten ersten Zinssenkung der Fed kommen, desto mehr scheint sie in die Ferne zu rücken. Es ist ungewisser als zuvor, dass die amerikanische Notenbank im Sommer schon ihren ersten, lange erwarteten Zinsschritt nach unten vornehmen wird.

07.05.2024 | 09:21 Uhr

Ende 2023 hatten die Marktteilnehmer für das Jahr 2024 mehrheitlich sechs und mehr Zinsschritte in den USA erwartet. Jetzt sehen sie im Mittel nur noch 1,4 Senkungen. Die Lockerung der Geldpolitik wird voraussichtlich später, langsamer und deutlich weniger stark geschehen als erwartet.

Das bestätigt unsere Überzeugung, die wir seit einiger Zeit vertreten: Die Fed wird die Leitzinsen von ihrer aktuellen Spanne von 5,25 Prozent bis 5,5 Prozent dieses Jahr voraussichtlich nur geringfügig senken. Gerade in den USA werden wir für längere Zeit höhere Geldmarksätze und, in der Konsequenz, relativ hohe Anleiherenditen sehen.

Auf was für Zins- und Renditeniveaus müssen wir uns also längerfristig einstellen? Wir gehen davon aus, dass die Null- und Negativzinssätze auf absehbare Zeit nicht wiederkehren werden. Aber in welcher Größenordnung werden sich die Leitzinssätze künftig bewegen?

Unter Ökonomen wird eine Debatte geführt, wo der „neutrale“ oder konzeptionell eng verwandte „natürliche“ Zinssatz im aktuellen Umfeld liegen könnte. Der neutrale Zins ist jener reale (inflationsbereinigte) Zinssatz, zu dem das Produktionspotenzial voll ausgelastet ist und gleichzeitig Preisstabilität herrscht. Geht eine Notenbank über diesen Zins hinaus, so betreibt sie eine restriktive Geldpolitik, bei der sie versucht, das Wachstum der Wirtschaft und die Inflation zu bremsen.

In der Praxis lässt sich kaum bestimmen, wo dieser neutrale Zins genau liegt. Mit einiger Gewissheit lässt sich jedoch sagen: Aktuell haben die Fed und die EZB die Leitzinsen über diesen Zinssatz angehoben. Schließlich wollen beide die Inflation dämpfen.

Obwohl die Fed in den vergangenen zwei Jahren ihre Leitzinsen elf Mal in Folge angehoben hat, lag die Inflationsrate in den USA im März 2024 immer noch bei 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Kerninflationsrate, bei der die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel ausgeklammert werden, betrug 3,8 Prozent. Diese Werte liegen nicht nur deutlich über dem Ziel von 2 Prozent, das sich die Fed – wie auch die EZB – mittelfristig gesetzt hat. Es zeigt sich auch, dass die Inflation in den USA zwar nicht dramatisch hoch ist, sie sich aber doch hartnäckiger hält als gedacht. Die Hoffnung, die durch Corona und den Ukraine-Krieg ausgelösten Preisschocks könnten rasch überwunden werden, hat sich jedenfalls nicht bewahrheitet.

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