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„Bei der Regulierung muss endlich wieder Vernunft einkehren“

Rolf Kieckebusch Gründer und Vorstand der Kasselaner Kirix Vermögensverwaltung
Regulierung

Rolf Kieckebusch, Gründer und Vorstand der Kasselaner Kirix Vermögensverwaltung, spricht im Interview mit TiAM Fundresearch über die Taxonomie, Regulierung und wie er selbst das Jahr 2022 erlebt hat.

19.07.2023 | 12:20 Uhr von «Jörn Kränicke»

TFR: Herr Kieckebusch, trotz turbulenter Zeiten konnte zuletzt das Kirix Herkules Portfolio überzeugen. Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?

Rolf Kieckebusch: Unser Herkules Portfolio hat in diesem Jahr sowie in den vergangenen drei Jahren sehr gute Ergebnisse erzielt. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass wir in der Lage waren, Gewinne mit Anleihen zu erzielen, während viele andere in diesem Bereich Verluste erlitten haben. Frühzeitig, möglicherweise etwas zu früh, haben wir uns auf inflationsgeschützte Anleihen konzentriert, was uns enorm geholfen hat.


Wie haben Sie dies umgesetzt? Setzten Sie dabei auf ETFs?

Nein, wir haben nicht in ETFs investiert, da diese in der Regel eine längere Laufzeit von etwa sieben Jahren haben. Angesichts des hohen Zinsrisikos bei langfristigen inflationsgeschützten Anleihen hätte dies zu beträchtlichen Verlusten führen können. Stattdessen haben wir uns für einen aktiven Fonds von M&G entschieden, der in kurzfristige inflationsgeschützte Anleihen investiert. Zudem haben wir auch noch zweijährige inflationsgeschützte Bundesanleihen gekauft. Auf diese Weise konnten wir den vollen Inflationsausgleich, den die Anleihen bieten, vereinnahmen.


Welche Rentensegmente halten Sie derzeit für aussichtsreich?

Zusätzlich zu den inflationsgeschützten Anleihen haben wir kürzlich auch klassische Unternehmensanleihen mit einer mittleren Laufzeit von drei bis fünf Jahren erworben. Die Bonitäten dieser Anleihen bewegen sich im Bereich von BB+ bis BBB-. Derzeit sehen wir in diesem Crossover-Bereich das beste Verhältnis von Chancen und Risiken. Dabei setzen wir auf Anleihen von etablierten großen Unternehmen und meiden Mittelstandsanleihen. Darüber hinaus nehmen wir aktiv an Neuemissionen teil, bei denen wir teilweise Zeichnungsgewinne realisieren. Dies ist eine Entwicklung, die es in den letzten zehn Jahren nicht gegeben hat. Wir sind erfreut darüber, endlich wieder eine lohnende Investitionsmöglichkeit zu haben. Immerhin liegt ein Schwerpunkt der Kirix Vermögensverwaltung im Anleihebereich.


Wie groß ist der Wettbewerb um Neuemissionen – erhalten Sie als Vermögensverwalter angemessene Zuteilungen?

Tatsächlich erhalten wir bei attraktiven Neuemissionen wie kürzlich bei Sixt angemessene Zuteilungen. Auch als Vermögensverwalter haben wir einen sehr guten Zugang zu den Emissionshäusern. Daher werden wir in der Regel bei den Emissionen gut bedient. In diesem Jahr haben wir durch den Rentenbereich einen Performancebeitrag von über drei Prozent für den Fonds erzielt. Seit Jahresbeginn liegt die Rendite des Fonds bereits bei elf Prozent.


Erwarten Sie noch weitere Zinserhöhungen oder ist das Ende der Fahnenstange langsam erreicht?

Es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank symbolisch einmal oder möglicherweise zweimal um 0,25 Prozent den Leitzins erhöht. Derzeit sind in den Futures auch keine weiteren Zinserhöhungen eingepreist. Europäische Staaten wie Italien oder selbst Deutschland wären allerdings auch kaum in der Lage, am langen Ende fünf Prozent Zinsen zu zahlen. Die EZB muss nun welche Maßnahmen auch immer ergreifen, um die Inflation einzudämmen. In Anbetracht dessen fühlen wir uns mit inflationsgeschützten Anleihen und Unternehmensanleihen recht wohl.


Aufgrund des Zinsumfeldes schwächelt auch der Immobilienmarkt. Droht von ihm weiteres Ungemach?

Immobilien sind derzeit ein schwieriges Segment. Ich betrachte dies aus meinem persönlichen Blick in der Peripherie von Kassel. Dort ist es sehr schwierig, Häuser zu verkaufen. Obwohl die Preise bereits von 500.000 Euro auf 380.000 Euro gesunken sind, finden kaum Transaktionen statt. Auch bei Gewerbeimmobilien sieht die Lage düster aus. Die Kurse von Immobilienaktien sind stark gefallen, und wenn man sich die Anleihekurse selbst von großen Unternehmen wie Aroundtown ansieht, könnte es noch weiter nach unten gehen. Im Gewerbeimmobilienbereich sieht die Zukunft in B-Lagen ohne energetische Sanierung sehr schwierig aus. Sie dürften kaum verkäuflich sein. In Toplagen und mit bestem Ökostandard sieht es hingegen komplett anders aus. Der österreichische Projektentwickler UBM, der nachhaltig mit Holz baut, hat den FAZ Tower in Frankfurt errichtet. Aufgrund des ESG-Aspekts der Mieter wurde der Turm problemlos vermietet. Es wird zu einer Zweiteilung kommen: Toplagen und 1A-Objekte werden teurer, während es in der Peripherie immer schwieriger wird, adäquate Mieter zu finden..


Gehen Sie von einer weiter sinkenden Inflation aus oder wird sie hoch bleiben?

Die gesunkenen Energie- und Lebensmittelpreise werden dafür sorgen, dass die Inflation tendenziell zurückgeht. Allerdings hängt dies auch davon ab, welche Lohnabschlüsse die Gewerkschaften erkämpfen können. Damit diese in Zukunft moderater ausfallen, könnte der Warenkorb geändert werden, damit die Inflation zumindest auf dem Papier niedriger aussieht. So wie es einst CharlesdeGaulle vorgemacht hat.


Trotz sinkender Energiepreise ächzt die deutsche Wirtschaft unter den nach wie vor hohen Energiekosten. Droht eine vollständige Deindustrialisierung Deutschlands?

Das glaube ich nicht. Der Wirtschaftsminister signalisiert auch mit dem Konzept des Industriestrompreises, dass es das Problem erkannt hat. Ihm ist auch bewusst, dass irgendjemand den grünen Umbau finanzieren muss. Es wird kaum möglich sein, diesen ohne Industrie zu bewältigen.


Der DAX hat kürzlich trotz des nicht idealen Umfelds einen neuen Rekordstand erreicht. Sind Aktien nun zu teuer oder besteht noch Spielraum nach oben?

Aktien sind Sachwerte, und angesichts einer Inflation von zehn Prozent müssen auch Aktien nominal um zehn Prozent steigen. Es wurde zwar ein neuer Rekord im DAX-Performanceindex erreicht, aber beim Preisindex hat sich nicht viel getan. Der Kursindex liegt nur wenige Prozentpunkte über dem Stand von Frühjahr 2000. Darüber hinaus verspürt man keine Euphorie im Markt. Auch sind die DAX-Aktien nicht hoch bewertet und die Unternehmen sind global aufgestellt und erwirtschaften nur einen geringen Teil ihrer Gewinne im Inland. Die schwache Konjunktur ist vor allem in der zweiten und dritten Reihe zu spüren. So notiert der SDAX deutlich unter seinen Höchstständen.


Welche Aktien präferieren sie derzeit?

Wir haben weiterhin die US-Tech-Titel hoch gewichtet, da sie herausragende Geschäftsmodelle haben, die unverzichtbar sind. Titel wie Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon und Nvidia kann man einfach nicht ignorieren. Ansonsten konzentrieren wir uns eher auf den Value-Bereich. Kürzlich haben wir uns von Luxusmarken wie LVMH verabschiedet, da sie einfach zu teuer geworden sind. Derzeit analysieren wir den Pharmabereich. Dort gibt es einige günstige Gelegenheiten. Erneuerbare Energien haben bei uns ebenfalls einen hohen Stellenwert. Dieses Thema kann nicht so schnell durch Disruption verändert werden. Wir setzen auf Titel, die auch über die entsprechenden Infrastrukturen verfügen. Obwohl der Bereich derzeit nicht so gut läuft, kann man den Sektor nicht ignorieren. Die großen Unternehmen werden aufgrund von Skaleneffekten irgendwann günstigere Energie liefern können als es mit fossilen Brennstoffen möglich ist. Das sind Geschäftsmodelle, die planbare und solide Erträge bieten. Wir sind bei Solarenergie, Wasserstoff und Windenergie engagiert. Wir versuchen, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken, einschließlich Produzenten wie Ørsted und Encavis, sowie Hersteller von Wärmepumpen oder Blockheizkraftwerken.


Spielt ESG bei ihnen dann eine große Rolle?

Nachhaltigkeit ist natürlich auch für uns auch schon seit sehr vielen Jahren wichtig und wir achten bei unserer Allokation auf die entsprechenden Ratings. Am Ende des Tages zählt für die Kunden aber vor allem die Performance. Mit der aktuellen EU-Taxonomie können wir emotional und auch technisch wenig anfangen. Daher sind unsere Fonds auch nicht nach Artikel 8 oder 9 eingestuft. Das haben wir erst einmal zurückgestellt. Wir haben zwar alle Daten dafür und würden die Kriterien auch erfüllen. Aber für uns ist der Aufwand dafür einfach zu groß. Bisher haben wir aufgrund der fehlenden Einstufung nach Artikel 8 oder 9 der Taxonomie auch noch kein Mandat verloren. Die Kunden verstehen, dass die EU-Regulierung noch unausgereift ist. Für sie ist es wichtig, dass sie sich mit dem Portfolio identifizieren können. Dazu stehen wir im ständigen Austausch mit unseren Investoren.


Nicht nur im ESG-Bereich wird viel reguliert, sondern insgesamt. Ist dies gut oder schlecht?

Bei der Regulierung muss endlich wieder Vernunft einkehren. Es ist für uns als mittelständisches Unternehmen sehr wichtig, dass wir unabhängig handeln können. Unsere Kunden sehen das genauso. Es ist von großer Bedeutung, dass wir auch weiterhin in Einzeltitel investieren können. Andernfalls wird der Markt nicht mehr funktionieren. Ohne Investoren in Einzeltitel wird auch der ETF-Markt irgendwann nicht mehr funktionieren. Wenn es nur noch ETFs gibt, hat niemand etwas davon. Es ist für uns entscheidend, dass wir auch in Zukunft so arbeiten können wie bisher. Denn wir sind nah am Kunden und kennen seine Bedürfnisse. Das können die Regulatoren nicht von sich behaupten. Wir müssen zwar nicht zusammen mit den Branchenverbänden gegen alles opponieren, was an Regulierung angedacht ist, aber wir müssen einfach Augenmaß einfordern.


Was bedeutet das von der EU angedachte Provisionsverbot für Sie?

Für uns und andere Vermögensverwalter wäre dies kein Problem. Es würde vielmehr die Ausschließlichkeitsvertriebe, das heißt Sparkassen und Volksbanken mit den Deka- und Union Investment-Fonds stark treffen. Bei uns kommen noch maximal fünf Prozent der Erträge aus Provisionen. Wir sind schon jetzt mit unseren Preisen konkurrenzfähig, weil wir sehr schlanke Strukturen haben. Das Provisionsverbot würde wie schon in Großbritannien und den Niederlanden möglicherweise dazu führen, dass weite Teile der Bevölkerung von der Geldanlage ausgeschlossen würden. Es gebe also mehr Verlierer als Gewinner. 

Zur Person:

Der Diplom-Ökonom Rolf Kieckebusch ist Unternehmensgründer und gleichzeitig Vorstand der Kirix AG. Der gebürtige Marburger ist seit über 25 Jahren im Bankgeschäft. Er bekleidete unter anderem verantwortungsvolle Positionen in einer angesehenen Zürcher Vermögensverwaltung sowie im Private Banking einer deutschen Großbank. Die operative Unternehmenssteuerung und die konsequente Kundenausrichtung fallen in seine Obliegenheit. Mit großer Kompetenz und Weitblick lenkt er die Geschicke von Kirix.

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