Mario Draghi hat mit seinem neuesten Zug die Märkte überrascht. Ohne den Beistand von Regierungen und der Fiskalpolitik steht er allerdings auf verlorenem Posten. Draghi mit Donnerschlag – einen langen Sturm zu entfesseln, steht noch aus.
11.03.2016 | 10:50 Uhr
Mario Draghi hat mit seinem neuesten Zug die Märkte überrascht. Ohne den Beistand von Regierungen und der Fiskalpolitik steht er allerdings auf verlorenem Posten.
Die Europäische Zentralbank hat auf breiter Front die Zinsen gesenkt: Die Einlagenzinsen liegen um 0,1 % tiefer bei nun -0,4 %, während der Leitzins nach einer Absenkung um 0,05 % die historische Marke von 0,0 % erreicht hat.
Gleichzeitig hat die EZB ihr Anleihekaufprogramm noch einmal deutlich um 20 Mrd. EUR erhöht und wird ab April monatlich Anleihen im Wert von 80 Mrd. EUR aufkaufen. Das Programm schließt hochwertige Anleihen von Unternehmen außerhalb des Bankensektors mit ein. Abschließend hat die Notenbank als Anreiz vier neue Langfristkredite für Banken angekündigt. Diese „gezielten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte“ (GLRG II) starten im Juli und die Laufzeit wird bei jeweils vier Jahren liegen. Die Kreditkosten entsprechen dem gültigen Leitzins zuzüglich eines festen Aufschlages von 0,1 %. Dieser Aufschlag gilt für die gesamte Laufzeit.
Alle genannten Schritte ergeben sich aus der erneut gesenkten Prognose für die Inflation, die Schätzungen zufolge dieses Jahr bei nicht mehr als 0,1 % liegen wird (zuvor hatte man 1 % angenommen) – für nächstes Jahr liegen die Erwartungen bei 1,3 % (zuvor 1,6 %). Im gleichen Atemzug wurden auch die Wachstumsprognosen verringert.
Zwar hat der Umfang der Maßnahmen alle Erwartungen übertroffen, dennoch enttäuschten Mario Draghis Aussagen während der Pressekonferenz: Er stellte klar, dass der EZB-Rat eine weitere Zinssenkung ausschließt. Dies brachte die anfänglich euphorische Kursrallye bei Aktien zu einem jähen Ende. Nach einem Fall auf 1,08 schnellte der Euro gegenüber dem US- Dollar auf 1,12 nach oben. Staatsanleihen folgten diesem Beispiel und als weitere Folge haben sich die Bedingungen an den Finanzmärkten verschärft.
Insgesamt bleibt die Hoffnung bestehen, dass die Anreizmaßnahmen für frische Kredite zu mehr Investitionen und mehr Wachstum führen werden. Zwar werden Zweifel über die Negativkredite bestehen bleiben – die extrem niedrigen Investitionsausgaben sind jedoch ein weltumspannendes Problem. Ein doppeltes Problem gar, das sich im Unwillen zur Kreditvergabe genauso zeigt wie bei der Zurückhaltung, Kapital zu leihen. Wie sich dieses doppelte Problem angehen lässt, hat Draghi bereits zutreffend skizziert: Er muss auf den Beistand von Regierungen und der Fiskalpolitik zählen können, um auf lange Sicht einen Sturm zu entfesseln.
Autor: Keith Wade, Volkswirt bei Schroders
Diesen Beitrag teilen: