Natixis: Bleibt der Euro weiterhin stark?

Mit einem aktuellen Kurs von 1,18/1,19 US-Dollar ist der Euro zu einer teuren Währung geworden. Das europäische Zahlungsmittel hat auch gegenüber vielen anderen Währungen zugelegt. Sein effektiver Wechselkurs erreichte ein Niveau wie zuletzt Ende 2014. Daher können wir nicht mehr sicher sein, dass der Euro an Wert verlieren wird.

10.08.2017 | 11:02 Uhr


(Foto: Philippe Waechter, Chief Economist bei Natixis Asset Management)

Das erschwert die Aufgabe der EZB, da ein starker Euro eine Inflationsrückführung begünstigt, wodurch die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Inflation im Euroraum sich dem von der Zentralbank gesetzten Ziel von 2% annähert.

Zu dieser Situation können wir zunächst drei Beobachtungen machen:
Erstens: der schnelle Anstieg des Eurokurses legt eine restriktive Geldpolitik nahe. Die Geldpolitik ist bereits zunehmend restriktiver geworden und der Standpunkt der EZB muss ihr Ziel einer Akkommodierung langfristig unterstützen, um mögliche Erwartungen hinsichtlich eines Kurswechsels nicht zu fördern. Die zweite Beobachtung lautet, dass ein starker Euro zum äußerst hohen Außenhandelsüberschuss der Eurozone passt. Der Kursverlust des Euro war zu diesem Überschuss nicht kompatibel. Die letzte Beobachtung ist der schwache Dollar. Sein effektiver Wechselkurs ist der niedrigste seit Ende 2016: Amerika geht es aktuell nicht gut.
Ausgehend von diesen drei Beobachtungen können wir drei Erklärungen ableiten, welche uns helfen, diese Kursschwankung zu verstehen. 

Die erste Erklärung ist eine politische.
Ende 2016 erwarteten viele Investoren einen eher schwachen Euro. Der Hauptgrund hierfür lag möglicherweise in den sehr unterschiedlichen politischen Aussichten der USA und der Eurozone. Der Wahl Donald Trumps und seinem ehrgeizigen Haushaltskurs zur Stimulierung der Konjunktur standen die Risiken des Populismus gegenüber, denen der alte Kontinent ausgesetzt war. Die damals anstehenden Wahlen in Österreich, den Niederlanden und besonders in Frankreich ließen wenig Zweifel daran, dass in einem dieser Länder eine der populistischen Anti-Euro-Parteien an die Macht kommen würde. Angesichts des Risikos eines Auseinanderbrechens der Eurozone entschieden sich die Investoren dafür, auf die potentiellen Verbesserungen der Konjunkturaussichten der USA durch eine schnell restriktivere Geldpolitik zu setzen. Alles sprach dafür, dass der Dollar stabil bleiben und der Euro sogar unter Parität fallen würde. Dieses Szenario trat jedoch nie ein. 

Das Weiße Haus verfügt aktuell über praktisch keine Wirtschaftspolitik und der Konjunkturzyklus schwächelt trotz der äußerst niedrigen Arbeitslosenquote. Diese Situation ist für Historiker äußerst interessant: sechs Monate, nachdem ein neuer Präsident in das Weiße Haus eingezogen ist, gibt es immer noch keinen Hinweis auf einen wirtschaftspolitischen Kurs. Das ist eine Katastrophe und wahrscheinlich so in der Geschichte noch nie vorgekommen. In der Eurozone dagegen sind nun alle populistischen Parteien aus Machtpositionen verdrängt. Das Risiko einer zerbrechenden Eurozone ist mittlerweile sehr gering, da die Europäer sich für Europa entschieden haben. Das haben die jüngsten Wahlen gezeigt, insbesondere in Frankreich, aber auch in den zahlreich durchgeführten Umfragen. Das politische Gleichgewicht hat sich innerhalb von nur sechs Monaten enorm verändert. Es gibt keine politischen Gründe für einen schwachen Euro und gleichermaßen auch keine politischen Gründe für einen starken US-Dollar mehr.

Die zweite Erklärung resultiert aus der ersten.
Die von Macron und Merkel ergriffenen politischen Maßnahmen sind auf den Wunsch ausgerichtet, die Institutionen der Eurozone zu stärken, um diese nachhaltiger und effizienter zu machen. Die Eurozone wirkt wie ein potentiell stabiles Gebiet. Gleichzeitig entsteht im Vereinigten Königreich Instabilität, da die Brexit-Verhandlungen zunehmend unsicherer erscheinen. Auch in den USA, wo die US-Bundesregierung sich im Konflikt mit Bundesstaaten befindet und wo man beobachten kann, wie die Regierung von ihren Zusagen abrückt sowie eine manchmal aggressive Haltung gegenüber Handelsabkommen einnimmt, wie z. B. bei den jüngsten Drohungen in Richtung China, besteht eine wesentliche Instabilität. Mit der EZB sticht die Eurozone als ein Hort politischer Stabilität und finanzieller Ruhe hervor. Dies ist ein wichtiger Aspekt für Investoren und stärkt die europäische Währung.

Die dritte Erklärung resultiert aus der Geldpolitik.
Die US-Notenbank wirkte zögerlicher in puncto höheren Zinssätzen. Das Gleichgewicht zwischen der Fiskalpolitik und der Geldpolitik ist ein anderes, als zu Beginn des Jahres erwartet. Wenn die Finanzpolitik keine Anreize zur Unterstützung der Wirtschaftsaktivität bietet, dann muss die Politik der Fed weiterhin akkommodierend sein. In der Eurozone besteht dagegen ein stabiles Wachstum, das sogar noch weiter an Tempo zulegen könnte. Investoren bereiten sich daher nun darauf vor, dass die akkommodierende Geldpolitik irgendwann ein Ende finden wird. Diese Einschätzung wurde von der wahrscheinlich übertriebenen Interpretation von Mario Draghis Kommentaren beim EZB-Forum in Sintra untermauert, wo er über die kommende Normalisierung der Währungspolitik sprach. Obwohl der EZB-Präsident seine Anmerkungen später zurücknahm, war damit in der Eurozone ein wichtiger Schritt getan. Wenn das Wachstum anhält, wird die EZB irgendwann eine restriktivere Haltung einnehmen müssen, und dieser Zeitpunkt ist nicht mehr so weit entfernt, wie vormals angenommen. Dieser neue Unterschied bei den Erwartungen an die Geldpolitik deutet auf eine künftig etwas stärkere europäische Währung hin.

Vom politischen Standpunkt aus gesehen wirkt die Eurozone also positiver: mit mehr Einheit, höherer Kohärenz und zudem höherer Stabilität als die USA. Diese Verschiebung stellt eine langfristige Veränderung dar, da eine drastische Veränderung Donald Trumps über die kommenden Monate unwahrscheinlich erscheint und gleichzeitig der Glaube an einen stärkeren Zusammenhalt der Eurozone immer größer wird. Daher ist für die kommenden Monate keine weniger akkommodierende Geldpolitik seitens der EZB zu erwarten. Es scheint tatsächlich eher das Gegenteil einzutreten, um den stabilen Aufschwung der Eurozone nicht zu behindern.

 


Autor: Philippe Waechter, Chief Economist bei Natixis Asset Management. Zuerst erschienen auf Forbes.fr.

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