Financière de l'Echiquier: Falsche Preise, echte Risiken

Die von den Zentralbanken betriebene Politik der massiven Anleihenkäufe („Quantitative Easing“) ist eine regelrechte Maschine zur Kontrolle und Umgestaltung der Preise von Vermögenswerten.

17.02.2015 | 12:37 Uhr

Am 15. Januar setzte die Schweizerische Nationalbank der Kopplung („Peg“) ihrer Währung an den Euro ein jähes Ende. Diese abrupte Korrektur des Wertes einer Währung erinnert daran, dass die Gesetze der Finanzwelt denen der Strömungsmechanik sehr ähnlich sind: Wenn ein Damm bricht, ist der Abfluss brutal. Der seit über 3 Jahren bei einer Parität von 1,20 fixierte Schweizer Franken erlebte am selben Handelstag einen Höhenflug von 30 %, um sich dann letztendlich bei etwa 1,03 Franken für 1 Euro einzupendeln. 

Der englische Markt hat vor über 20 Jahren eine ähnliche Episode erlebt. Im Gegensatz zur schweizerischen Kopplung, die den Anstieg der Währung begrenzen sollte, verteidigte die Bank von England ihre Währung gegen eine Abwertung. Als sie diese Politik angesichts des Ausmaßes der Mittelflüsse im September 1992 schließlich aufgab, kam es zu einer ebenso heftigen Anpassung: Einbruch des Pfund Sterling, Ausstieg aus dem europäischen Währungssystem... und Ruhm für Georges Soros, den genialen Finanzier, der auf diese Entwicklung gesetzt hatte.

„Falsche Preise“ sind auf der Welt häufiger anzutreffen, als es scheint. Das gilt sowohl für die Mikroökonomie, sobald Preise von einem Gesetz geregelt werden (französische Notare und Taxifahrer wissen das sehr gut), als auch für die Makroökonomie, sobald eine Zentralbank oder ein Staat einschreiten, um die Märkte zu beeinflussen. Ganz gleich, welche Methoden zur Anwendung kommen, gilt es dann, wachsam zu sein, um diese künstlich erzeugten Preise zu erkennen und zu überwachen.

Wenn die Rendite der 3-jährigen NESTLE-Anleihe in den negativen Bereich (bis zu -0,6 % in der vergangenen Woche) gefallen ist, ist das kein kollektiver Seppuku* der Kreditgeber, sondern eine Folge der Interventionen der europäischen Zentralbank, die ein neues Zinsuniversum entstehen lassen.

Muss man sich in diesem für eine Vermehrung der „falschen Preise“ günstigen Umfeld auf neue spektakuläre Anpassungen einstellen? Einige Dämme sind bereits durch gewollte Maßnahmen gebrochen: Die Abwertung des Euro um 16 % ist ein Beispiel hierfür, aber es dürften gewiss weitere Konsequenzen folgen.Gewiss erfreuliche Konsequenzen für die Weltmeister, die auf diese Weise ihre Investitionen zu null oder gelegentlich negativen Kosten fortsetzen können. Doch wir müssen wachsam sein: Kostenloses Geld erhöht sehr stark das Risiko schlechter Allokationen des Kapitals. Diese waren in der Vergangenheit in „gesponserten“ Sektoren stark verbreitet: Man denke an die Solarindustrie! Das Szenario beginnt in der Regel mit massiven Investitionen und einem Überschuss an anfänglichem Vertrauen, gefolgt von plötzlichen Enttäuschungen.

Das Quantitative Easing ist eine Maschine für das Sponsoring der Wirtschaft als Ganzes. Nutzen wir zunächst einmal diesen schönen Hausse-Markt, diesen erneuten Aufschwung der Kreditvergabe an Unternehmen... Und tanzen wir, solange die Musik spielt! Doch wir wollen den langfristigen Horizont nicht aus den Augen verlieren: Wenn in Europa letztendlich das Vertrauen zurückkehrt, treten die falschen Allokationen von Investitionen zutage und die schützenden Dämme werden brechen. Dann ist es besser, sich stromaufwärts zu befinden, an der Seite der Unternehmen, die ihr Kapital effizient eingesetzt haben. Diese zu erkennen – das ist unsere Aufgabe!

* Der Seppuku oder Harakiri ist eine Form des rituellen Selbstmords, die in Japan um das 12. Jh. in der Klasse der Samurai aufkam.

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