Die zukünftige Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung nimmt nach den Äußerungen von Sozialminister Hubertus Heil Form an. Die Aktienrente könnte noch in diesem Jahr kommen.
10.05.2022 | 12:10 Uhr
Zugleich bleiben die wirkungsvollsten, aber auch schmerzhaftesten Stellschrauben Renteneintrittsalter, -niveau und -beiträge unangetastet. Mit den Plänen für die private Vorsorge hält man sich noch bedeckter. Von der privaten Pflichtvorsorge bis hin zum Riester-Relaunch – ausschließen lässt sich nichts.
Wie sieht dazu das Stimmungsbild in der Bevölkerung aus? Aus der aktuellen
Altersvorsorge-Befragung des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und
Alterssicherung (DIVA) geht hervor, dass die Mehrheit der Bürger (60 Prozent)
befürchtet, im Alter von Armut betroffen zu sein.
Prof. Dr. Michael Heuser, den Wissenschaftlichen Leiter des DIVA, überrascht dieser hohe Wert nicht:
„Zwar kommen wissenschaftliche Prognosen zu dem Ergebnis, dass der Anteil der
armutsgefährdeten älteren Menschen in Deutschland auch langfristig nicht über
15 Prozent liegen wird. Doch viele denken bei ihrer Altersvorsorge allein an
die gesetzliche Rente, und die wird in der Tat kaum mehr reichen.“ Die Menschen
müssten ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickeln, welche zusätzliche
Einnahmen im Alter zur Verfügung stehen können, beispielsweise aus privat
abgeschlossenen Renten oder aus Erbschaften. „Zudem fallen einige Ausgaben im
Alter weg. Es ist wichtig, dass das Projekt „säulenübergreifende
Renteninformation“ endlich in der Breite eingeführt wird“, so Heuser.
Dr. Helge Lach, Vorsitzender des BDV Bundesverbands Deutscher Vermögensberater,
des Trägers des DIVA, ergänzt: „Die Hochrechnung der Gesamteinnahmen und
-ausgaben im Alter ist komplex und muss frühzeitig angepackt werden. Dabei zu
helfen, ist eine der Hauptaufgaben eines Vermögensberaters. Zeigt sich eine
nennenswerte Versorgungslücke, werden im Beratungsgespräch mögliche Sparformen
erörtert.“
Noch dazu drücken die Nachwirkungen der Pandemie, aktuell der Angriffskrieg
Russlands gegen die Ukraine und die anziehende Inflation auf die Gesamtstimmung
der Menschen. Bei zukunftsbezogenen Einschätzungen ist in den DIVA-Befragungen
laut Heuser zunehmender Pessimismus erkennbar.
Bei Frauen ist die Sorge vor Altersarmut mit 66,2 Prozent noch weit höher als
bei Männern (53,9 %). Auch das überrascht Heuser nicht: „Die Diskrepanz ist
plausibel. Denn Frauen erhalten aufgrund anderer Erwerbsbiografien im Schnitt
ca. 30 Prozent weniger monatliche staatliche Rente. Zudem ist ihr
Vorsorgebedarf auch wegen ihrer drei bis fünf Jahre höheren Lebenserwartung
größer als bei Männern. Wenn also eine Frau eine bestimmte Versorgungslücke im
Alter mit einem Sparplan zum Beispiel auf Fonds absichern will, wird sie
während der Einzahlphase entweder höhere Beiträge leisten oder im Alter mit
weniger auskommen müssen.“
Fragt man die Bürger danach, was für sie bei der privaten Vorsorge sehr wichtig
oder wichtig ist, liegen garantierte Leistungen und staatliche Förderung mit
jeweils knapp 80 Prozent der Nennungen ganz vorne. Dazu Heuser: „Es ist
nachvollziehbar, dass sich die Bürger für das Alter fixe, also garantierte
Einnahmen wünschen. Auch die Ausgaben sind ja überwiegend fix. Garantieprodukte
bringen aber derzeit keine Rendite. Staatliche Förderung kann hier quasi wie
ein Zinsersatz wirken, um die ausbleibende Rendite aus der Geldanlage
auszugleichen.“
Lach ergänzt: „Letztendlich gibt es sogar eine politische Legitimation dafür,
dass von Seiten der Politik das Sparen für das Alter subventioniert wird. Denn
das für Sparer unvorteilhafte Nullzinsumfeld der letzten Jahre ist in erster
Linie dem Agieren der Zentralbanken zuzuschreiben. Und wenn die Politik der
Altersvorsorge die Chance auf Rendite nimmt und davon mit einer nahezu
kostenlosen Refinanzierung der Staatsschulden sogar profitiert, ist es nur
folgerichtig, wenn ein Stück Rendite aus staatlicher Förderung generiert wird.“
Interessant ist bei diesen Schlussfolgerungen, mit welcher Art der staatlichen
Förderung die Bürger am stärksten zur Altersvorsorge zu motivieren sind. Die
Ergebnisse sind bemerkenswert: Stellt man die Bürger vor die Wahl zwischen
Steuervorteilen wie zum Beispiel der Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen
und Zulagen nach dem Riester-Modell, spricht sich mehr als die Hälfte für die
Zulagen aus, rund zwanzig Prozent für Steuervorteile.
„Die Ergebnisse zeigen erneut, dass die Idee des Riester-Sparens mit Zulagen
bei den Menschen ankommt. Gerade Geringverdiener profitieren, und zwar zweifach.
Denn sie erhalten mit deutlich niedrigeren monatlichen Beiträgen die gleichen
Zulagen wie Sparer mit höheren Einkommen. Und viele sind nicht steuerpflichtig,
könnten nichts geltend machen und würden somit von einer steuerlichen Förderung
gar nicht profitieren. Die hartnäckige Forderung an die Politik, endlich das
Riester-Sparen zu reformieren, ist deshalb richtig. Die Zeit drängt. Private
Vorsorge ist gerade bei niedrigen Zinsen und hoher Inflation wichtiger denn
je“, so der Verbandsvorsitzende Lach.
Die Umfrage ist Teil der aktuellen Frühjahrs-Ausgabe des Deutschen
Altersvorsorge-Index (DIVAX-AV) und wurde im Auftrag des DIVA von
INSA-CONSULERE durchgeführt. Befragt wurden ca. 2.000 Personen in Deutschland. (dp)
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