La Financière de l’Echiquier: Die Tyrannei der Quartalsveröffentlichungen

Didier Le Menestrel, Verwaltungsratsvorsitzender von La Financière de l’Echiquier
Marktkommentar

Die quartalsweise Veröffentlichung der Geschäftszahlen führen mitunter zu Kapriolen an den Märkten, so Didier Le Menestrel, Verwaltungsratsvorsitzender von La Financière de l’Echiquier. Die kurzfristigen Reaktionen der Märkte beruhen oft nicht auf einer gründlichen Finanzanalyse.

19.09.2018 | 13:24 Uhr

Apple steht als Hauptgewinner der sommerlichen Quartalsveröffentlichungen fest. Die Kapitalisierung des amerikanischen Tech-Giganten hat die magische Schwelle von 1.000 Milliarden US-Dollar überschritten, die dem Doppelten des Bruttoinlandsprodukts Belgiens entspricht. In dieser Börsensaison hat das Symbolcharakter, denn sie war von zahlreichen Aufs und Abs und mitunter außerordentlichen Kursschwankungen aufgrund guter (Autodesk +15 %, Illumina +12 %) oder schlechter Überraschungen (Facebook -19 %, RWS -25 %) gekennzeichnet.

Vier Mal pro Jahr stehen die Finanzmärkte im Rahmen der Berichtssaison ganz im Zeichen der Quartalsveröffentlichungen der US-Unternehmen, die vorschriftsmäßig spätestens 45 Tage nach Ende der Berichtsperiode zu erfolgen haben. Die internationalen Märkte schwanken dabei meist im Einklang mit ihrem amerikanischen Vorbild. In Frankreich sind die Unternehmen übrigens seit dem Geschäftsjahr 2015 nicht mehr verpflichtet, in jedem Quartal ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.

Dass Anlegern umfassende, gut zugängliche und regelmäßig in kurzen Zeitabständen aktualisierte Informationen zur Verfügung gestellt werden, ist selbstverständlich zunächst positiv zu sehen. Die Aufmerksamkeit, mit der jede Veröffentlichung verfolgt wird, kann jedoch unzureichend informierte Zuschauer eher verwirren. Die sehr kurzfristigen Reaktionen der Märkte auf die Ergebnisveröffentlichungen sind oft mehr zufallsbedingt und beruhen weniger auf einer gründlichen Finanzanalyse. Pessimisten betrachten die Börse daher leicht als Russisches Roulette oder Pokerspiel.

Sogar Donald Trump hat die US-Aufsichtsbehörde in diesem Jahr aufgefordert, darüber nachzudenken, ob die vorgeschriebenen quartalsmäßigen Ergebnisveröffentlichungen nicht besser abgeschafft werden sollten. Dabei hätte man denken können, dass der US-Präsident aufgrund seiner maßlosen Liebe zu kurzen Tweets auch Anhänger von „Beat and Raise“ sei, dieser lapidaren Formel, nach der die Erwartungen übertroffen und die Prognose erhöht wird. In jeder Berichtssaison werden die Ergebnisse der besten Marktteilnehmer des US-Marktes begrüßt und die Reaktion der Märkte lässt sich zunehmend ablesen.

Aber lässt sich die wirtschaftliche Realität eines Unternehmens wirklich mit Hilfe von drei Wörtern identifizieren, analysieren und im Detail darstellen? Natürlich geht das nicht. Diese Marktbewegungen können zu passivem Verhalten motivieren. Die Experten beschränken ihre Bewertung reflexmäßig (oder aus Faulheit?) auf diese kurze, drei Wörter umfassende Zusammenfassung. Manche Manager könnten in Versuchung geraten, die nächsten drei Monate im Auge zu behalten und darauf zurückzugreifen, um den Börsenkurs unter allen Umständen zu stützen.

Andererseits hat die „Tyrannei“ der Quartalsveröffentlichungen bisher nie verhindert, dass sich gute Unternehmen weiterentwickeln. Amazon, Netflix und selbst Tesla konnten kurzfristig Gewinne erwirtschaften, um zu investieren und langfristig rentabel zu werden.

Die Quartalsergebnisse ermöglichen es Anlegern auch, die langfristige Arbeit der Managementteams zu bewerten und sich zu entscheiden, ob sie das ihnen geschenkte Vertrauen aufrechterhalten möchten.

Halbjährlich? Quartalsmäßig? Die durch den amerikanischen Präsidenten wiederbelebte Debatte erinnert an die Bedeutung der Finanzanalyse. Nur eine gründliche Analyse ermöglicht es, visionäre Manager zu identifizieren, die in der Lage sind, auf lange Sicht eine strategische Vision für ihr Unternehmen zu entwickeln, und Opportunisten zu meiden. Denn auch wenn die Märkte die Wahrheit nicht mögen, behält diese letztendlich doch immer die Oberhand!


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