La Financière de L‘Echiquier: Das Risiko böser Überraschungen hat zugenommen

Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE – La Financière de l’Echiquier.
Marktkommentar

Zu Jahresbeginn haben sich die Kurse an den Börsen wieder erholt. Doch wie bei Apple könnten enttäuschende Unternehmensergebnisse das Kurs-Gewinn-Verhältnis vieler aktuell günstiger Aktien steigen lassen, so Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE.

15.01.2019 | 09:47 Uhr

Die deutlich moderateren Äußerungen des Fed-Chefs in den ersten Januartagen gaben den Ton vor, und die Aktienmärkte schlossen die erste volle Woche des Jahres 2019 klar im Plus. Jerome Powell wiederholte seine Äußerungen zudem auf einer Konferenz im Economic Club in Washington: Nach der Ankündigung, dass die Fed zu einer Änderung ihrer Politik des Bilanzabbaus bereit sei, erklärte er, dass sich die Notenbank hinsichtlich der Normalisierung ihrer Geldpolitik entsprechend den Konjunkturdaten „flexibel“ und vor allem „geduldig“ zeigen könnte. Hieran ist abzulesen, dass die Anzahl der Zinsanhebungen 2019 geringer ausfallen könnte, als von den Mitgliedern des FOMC bis vor kurzem noch geplant war.

Der Kursanstieg an den Märkten wurde jedoch nicht nur durch die Geldpolitik befeuert. Die Hoffnungen auf ein baldiges Handelsabkommen zwischen China und den USA im Zuge der Treffen von Vertretern beider Lager in Peking, brachten den Risikoappetit der Anleger ebenfalls zurück. Dennoch ist trotz der positiven Tweets von Donald Trump und der zur Schau gestellten Zuversicht der US-Diplomaten, die in Person des Staatssekretärs für Handel Ted McKinney bekräftigten, dass die Gespräche „gut verlaufen“ seien, weiterhin eine gewisse Zurückhaltung geboten.

Die USA begnügten sich bis dato damit, zweitrangige Unterhändler nach Peking zu entsenden – so nahm der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer nicht an dem Treffen teil. Auch wenn die chinesischen Behörden ihrerseits diesen Gesprächen mehr Bedeutung beizumessen schienen und Vize-Premierminister Liu He daran teilnahm, scheint klar zu sein, dass es sich vor allem um eine erste Verhandlungsphase handelte.

Überdies bezogen sich diese ersten Verhandlungen vorerst scheinbar nur auf chinesische Käufe US-amerikanischer Güter und Dienstleistungen für einen „substanziellen Betrag“, insbesondere im Landwirtschaftssektor. Dies war bereits beim Treffen zwischen Xi Jinping und Donald Trump auf dem G20-Gipfel angesprochen worden. Alles also nicht wirklich ganz neu. Vor allem aber wurden die Themen, bei denen die USA einen Durchbruch erzielen wollen, d. h. „notwendige strukturelle Veränderungen“ beim Schutz geistigen Eigentums in China, Cyber-Angriffe und Zollschranken, noch nicht zur Sprache gebracht. Angesichts des hohen Einsatzes bei diesem Kampf um die weltweite Führungsrolle sind mögliche Durchbrüche vorerst noch nicht in Sicht. Zumal China aufgrund der Verlangsamung seiner Wirtschaft Stützungsmaßnahmen umsetzen könnte, die die chinesischen Unternehmen, allen voran die Staatsunternehmen, begünstigen würden, was wohl kaum im Sinne der USA wäre. Zwar scheint das Umfeld für Gespräche letztlich trotz allem günstiger zu sein als für sinnloses Gezänk, doch ist es zu früh, um im „Handelskrieg“ das Ende auszurufen.

In Anbetracht dieses etwas euphorischen Jahresbeginns an den Aktienmärkten ist weiterhin Vorsicht geboten, denn der Blick richtet sich bereits auf die Ende nächster Woche beginnende Berichtssaison in den USA. Während der Rückgang der Kurse (die Komponente „K“ des bekannten KGV) die Bewertungen auf angemessenere Niveaus zurückgeführt hat, würden Enttäuschungen bei den Unternehmensergebnissen (die dann einen Rückgang des „G“ beim KGV bedeuten) sie automatisch wieder steigen lassen und den Anlegern so das Argument der Bewertung zur Rechtfertigung ihres wiedergewonnenen Hungers auf Aktien entziehen. Nach der Gewinnwarnung von Apple und trotz der nach unten korrigierten Prognosen für das Gewinnwachstum in den USA für 2019 scheint das Risiko böser Überraschungen zugenommen zu haben. Also nochmals: Vorsicht!

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