La Financière de l’Echiquier: Ein schmaler Grad

Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE – La Financière de l’Echiquier
Marktkommentar

Die Wirtschaftsdaten aus den Industrieländern waren enttäuschend. Es gebe also keinen Anlass für allzu große Zuversicht, resümiert Olivier de Berranger, Chief Investment Officer bei LFDE – La Financière de l’Echiquier.

24.04.2019 | 09:46 Uhr

Aufgrund erneuter Aufwärtsbewegungen schlossen die meisten Aktienindizes in der vergangenen Woche auf dem höchsten Stand seit Jahresbeginn. In Europa, und noch mehr in den USA, konnten sämtliche Kursverluste des vierten Quartals 2018 wieder aufgeholt werden, wobei die Indizes nun sogar mit den Niveaus von Anfang 2018 liebäugeln. Das Phänomen erstreckt sich insbesondere bei US- und Wachstumstiteln auch auf die Bewertungen. Diese Feststellung wirft zwangsläufig die Frage auf, wie sich die Aktienmärkte in den nächsten Monaten entwickeln werden.

Die Rally im ersten Quartal 2019 bestand in Teilen sicherlich aus einer Korrektur übermäßiger Kursverluste zum Jahresende, wurde jedoch vor allem durch den Kurswechsel der Zentralbanken hinsichtlich ihrer Geldpolitik befeuert. Deren nun wieder akkommodierende Haltung beschwichtigte die Anleger, die um die Aussichten für das weltweite Wachstum in Sorge waren, und führte zu einer höheren Risikobereitschaft. Dieser Katalysator klingt jedoch bereits wieder ab. Sollte sich die Konjunktur nicht weiter verschlechtern, ist seitens der US-Notenbank Fed oder der Europäischen Zentralbank wohl kaum mit neuen Ankündigungen zu rechnen. Von der EZB sind höchstens noch Erläuterungen zu ihrem TLTRO-Programm und zu möglichen Abfederungsmaßnahmen in Bezug auf die Negativzinsen für die Bankenbranche zu erwarten. Anders gesagt braucht es für einen deutlichen Anstieg der Märkte andere Katalysatoren und vor allem eine Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Daten.

Letztere verschlechterten sich erheblich und schaffen derzeit kaum mehr als eine relative Stabilisierung. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten Statistiken veranschaulichten dies gut. Die Zahlen aus China sorgten hingegen für Beruhigung. So legte die Industrieproduktion im ersten Quartal um 6,5 Prozent (im Vergleich zur Erwartung von 5,6 %) zu, und die Einzelhandelsumsätze stiegen gegenüber dem Vorjahr um 8,7 Prozent (erwartet waren 8,4 %). Auch das BIP-Wachstum war im gleitenden Jahresdurchschnitt etwas besser als erwartet (6,4 % im Vergleich zu 6,3 %). Diese überraschend guten Monatsindikatoren belegen ein solides Konsumwachstum und zeigen erste Erfolge der chinesischen Konjunkturmaßnahmen. Gute Nachrichten, die jedoch noch bestätigt werden müssen.

Vor allem, da die Wirtschaftsdaten in den Industrieländern viel enttäuschender waren. In Japan gingen die Exporte im März im vierten Monat in Folge zurück, und der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe liegt trotz einer leichten Erholung weiter unter der Marke von 50 (49,5). In der Eurozone verschlechterten sich die Einkaufsmanagerindizes trotz zufriedenstellender Zahlen im französischen und deutschen Dienstleistungssektor und lagen bei allen Komponenten unter den Erwartungen. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex lag bei 51,3 Punkten, im Vergleich zur Erwartung von 51,8 und 51,6 im Vormonat. In den USA war der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe mit 52,4 stabil, der Index für den Dienstleistungssektor ging jedoch von 55,3 auf 52,9 (im Vergleich zur Erwartung von 55,0) deutlich zurück. Es gibt also keinen Anlass für allzu große Zuversicht.

Die Maßnahmen der Zentralbanken und die Konjunkturprogramme, die in den einzelnen Regionen allmählich umgesetzt werden, werden mit der Zeit zu einer Verbesserung dieser Zahlen führen, möglicherweise jedoch nicht unmittelbar. In der Zwischenzeit könnte den Aktienmärkten die Puste ausgehen und erneut Volatilität auftreten. Die entscheidenden Eigenschaften, um die Gewinne des ersten Quartals zu wahren und später von den positiven Auswirkungen besserer gesamtwirtschaftlicher Daten auf die Märkte zu profitieren, werden Flexibilität und Geduld sein.

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