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Corporate Governance nach GameStop

Corporate Governance nach GameStop
Kapitalmärkte
Corporate Governance nach GameStop
03/2021
Faith Stevelman und Sarah C. Haan
Project Syndicate

@ Feedback an Redaktion

Ende Januar 2021 erfasste eine in sozialen Medien angeheizte populistische Rebellion die Kapitalmärkte. Kleinanleger kauften riesige Mengen an Aktien angeschlagener Unternehmen wie GameStop, AMC, BlackBerry und anderen.

04.03.2021 | 07:20 Uhr

Sie wollten damit Geld machen. Aber noch mehr ging es ihnen darum, Finanzeliten wie beispielsweise Hedgefonds zu strafen, die auf den Niedergang der erwähnten Unternehmen gewettet hatten.

Die Strafe wirkte auch: am 27. Januar verloren Anleger, die Short-Positionen auf GameStop eingegangen waren, 14,3 Milliarden Dollar. Doch die eigentliche Geschichte besteht nicht darin, wer bei dieser Serie an Aktiengeschäften Geld verlor (oder verdiente). Vielmehr geht es darum, dass sich das vorherrschende Modell moderner Corporate Governance am Rande eines dramatischen Wandels befindet.

Im gegenwärtigen Modell agiert der Vorstand als oberste Autorität des Unternehmens. Er ist für Einstellung, Evaluierung, Entlohnung und gegebenenfalls auch für die Entlassung eines CEOs und anderer Top-Manager verantwortlich, und die Vorstandsmitglieder müssen auch alle anderen grundlegenden Entscheidungen absegnen.

Bei der Bewertung der Leistung von Managern haben sich die Vorstände lange Zeit hauptsächlich auf den Aktienkurs des Unternehmens verlassen. Mittlerweile ist dieser Maßstab hinfällig. Es liegen immer mehr Belege vor, dass Aktienkurse kein verlässlicher Indikator für die Leistung von Unternehmen oder die Qualität ihrer Führung sind. Die dieser interventionsfreien Führung durch den Vorstand zugrunde liegenden Annahmen mögen zwar in der Theorie richtig gewesen sein, aber in der realen Welt waren sie falsch. Durch den Kauf riesiger Mengen an Aktien notleidender Unternehmen trieben gewöhnliche Menschen, die online von ihrem Sofa aus handeln, die Aktienkurse dieser Firmen in die Höhe, und zwar unabhängig von deren finanziellen Fundamentaldaten wie Umsatz und Ertragskraft.

Die GameStop-Affäre ist zwar der vielleicht merkwürdigste, aber nicht der erste Beweis für „postfaktische” Kapitalmärkte. In den frühen 2000er Jahren kam heraus, dass Firmen nach dem Motto „durch Schein zum Sein“ agierten - sie frisierten ihre Bilanzen, um damit den Aktienkurs zu steigern.

Dann war da die globale Finanzkrise des Jahres 2008, die ausbrach, nachdem die Subprime-Hypothekenblase in den Vereinigten Staaten geplatzt war. Im Jahr 2010 stürzte der Dow Jones Industrial Average im Rahmen eines „Flashcrashs” innerhalb weniger Minuten um beinahe 1.000 Punkte ab. Zum Teil waren dafür die Aktionen eines einzigen Hochfrequenzhändlers verantwortlich.

Wenn man jetzt noch an die Turbulenzen rund um GameStop denkt, scheint es klarer denn je, dass Amerikas jahrzehntelanges Experiment aktienbasierter Unternehmensführung gescheitert ist. Das ist auch gut so: im Nachhinein wird klar, dass dieser Ansatz einer Verleugnung der Führerschaft auf dem Privatsektor gleichkam.

Da alle Augen auf steigende Aktienkurse gerichtet waren, hat es die überwiegende Mehrheit der Vorstände verabsäumt, sich auf abzeichnende Bedrohungen für den Erfolg und das Wohlergehen ihrer Unternehmen vorzubereiten – oder sie überhaupt wahrzunehmen. Zu diesen Bedrohungen zählen Klimawandel, die Geißel der ethnischen und geschlechtsspezifischen Diskriminierung sowie die sprunghaft ansteigende Einkommens- und Vermögensungleichheit (ein wahrscheinlicher Auslöser der GameStop-Rebellion).

Die Covid-19-Krise veranschaulicht das Problem. Jahrzehntelang hatten sich Unternehmen eifrig auf weit verzweigte, unsichere Lieferketten eingelassen. Trotz der Warnungen von Experten, wonach eine Pandemie unvermeidlich sei, wurden keinerlei Vorbereitungen getroffen. In den Aktienkursen waren diese Risiken nicht abgebildet. Im Gegenteil, sie profitierten von höheren Gewinnmargen. Als die Pandemie dann ausbrach, war man in den meisten Unternehmen ratlos.

Und auch bevor die Anhänger des damaligen US-Präsidenten Donald Trump am 6. Januar das US-Kapitol stürmten – ein Aufstand, bei dem fünf Menschen ihr Leben verloren – schaufelten politische Aktionskomitees in Unternehmen Geld in die Schatullen der Republikanischen Partei und ihrer Propagandisten wie Fox News. Es spielte keine Rolle, dass republikanische Politiker und Medien die haltlosen Behauptungen über Wahlbetrug verstärkten, die Trump benutzte, um seine Basis aufzuhetzen. Angesichts starker Aktienkurse befand sich die zunehmende Gefahr einer radikalen politischen Polarisierung in den USA nicht auf dem Radar der Vorstandsetagen – dorthin schafft es nicht einmal der nationale Rechtsterrorismus mit der damit verbundenen Gefahr wirtschaftlicher Verwerfungen.

Es ist an der Zeit, dass die Unternehmensvorstände ihren kurzsichtigen Blick auf die Börsen aufgeben und sich von ihrer passiver Führung verabschieden. Das heißt, sich anbahnende disruptive Änderungen zu erkennen, sich stärker mit Führungskräften und Arbeitnehmern auseinandersetzen, ganzheitlichere, zukunftsorientierte Strategien zu entwickeln und die Personal- und Kapitalressourcen ihrer Unternehmen organisierter voranzubringen. Einfach ausgedrückt: die Vorstände müssen ihre gesetzliche Verantwortung, sich zu informieren, Strategien zu entwickeln und ihre Unternehmen zu führen auch wahrnehmen.

Neue Unternehmensstrategien müssen vor allem informationsbasiert und technologisch unterstützt sein. Glücklicherweise können Vorstände mittlerweile dank enorm verbesserter Software-Analytik in die Tiefen der Unternehmensdaten vordringen, um wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen und neue Fragen zu erkennen. Ein Vorstand ist als gescheitert zu betrachten, wenn es CEOs ermöglicht wird, Unternehmensinformationen an sich zu reißen und sie dem Vorstand einseitig darzustellen. Auf genau diese Weise bewegen sich einige Vorstände schon über das begrenzte Modell ihrer lediglich überwachenden Funktion hinaus und etablieren verbesserte Informations- und Kommunikationsprozesse, um Risiken und Chancen aus einer stärker dreidimensionalen Perspektive zu beurteilen.

Wird der Schwerpunkt in der Vorstandsetage auf menschliches Urteilsvermögen gelegt, gilt das auch als Absage an futuristische Vorstellungen von passiver, technologiegesteuerter Unternehmensführung auf Basis von Algorithmen. Daten sind kein Allheilmittel, wie die von Facebook und Google angerichteten gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen zeigen. Der Schlüssel besteht darin, bessere firmeninterne Daten mit ehrlichen Überlegungen des Vorstands darüber zu kombinieren, in welcher Weise die Zukunft des Unternehmens von einer sich verändernden Welt betroffen ist. Derartiges passiert nicht, wenn Vorstände die Aktienkurse als Abkürzungen benutzen.

Mit etwas Glück wird der Niedergang rein überwachender Vorstände zu einer nationalen Debatte darüber führen, was es wirklich braucht, um große Unternehmen zu führen, insbesondere inmitten eines gravierenden Politikversagens. Da die Mitgliedschaft in Vorständen immer anspruchsvoller wird, werden einzelne Direktorinnen und Direktoren in weniger Vorständen tätig sein müssen. Das wird im Bereich der Führungsebenen dazu führen, dass neue – und idealerweise auch jüngere und vielfältigere – Stimmen Gehör finden.

Die jüngsten Schocks könnten auch alternative Machtzentren stärken. Mutige institutionelle Anleger wie BlackRock zeigten beispielsweise Bereitschaft, ihre Marktmacht geltend zu machen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern (obwohl BlackRocks umfassende Beteiligung an Fox News darauf hindeutet, dass man hinsichtlich der Bedrohungen der amerikanischen Demokratie weniger verantwortungsbewusst agiert).

Letzte Woche reagierten gewöhnliche Bürger mit einer populistischen, markbasierten Kampagne auf systemische Ungleichheiten. Damit wollten sie Mechanismen der Anhäufung von Wohlstand unter den Eliten zerschlagen – und eine eindringliche Botschaft über die Notwendigkeit eines neuen Modells der Corporate Governance aussenden, das sich nicht nur auf Aktienkurse stützt, sondern auf das menschliche Urteilsvermögen in der Vorstandsebene. Nach Jahrzehnten der Passivität ist für die Vorstände nun die Zeit gekommen, wirklich zu führen.

Copyright: Project Syndicate

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