Robeco Talk 2022: „Den Kurs halten, ist entscheidend“

Robeco Talk 2022: „Den Kurs halten, ist entscheidend“

Die Coronavirus-Pandemie hat uns gezeigt, dass es wichtig ist, unserem Ansatz treu zu bleiben, sagt Wilma de Groot, Co-Head of Quant Equity Portfolio Management.

04.01.2022 | 08:53 Uhr

In unserer Interviewserie zum „2022 Outlook“ beantworten Experten von Robeco fünf Fragen zu ihren Anlagesegmenten.

Auf welche große Sache sollte man 2022 achten?

„Es wird Sie nicht überraschen, dass ich für Quant Investing sehr optimistisch bin. Quantitative Ansätze haben von 2018-2020 einen schweren Stand gehabt.1 Diese Phase war von einer sehr guten Entwicklung großer Wachstumstitel charakterisiert, die unsere quantitativen Strategien aufgrund ihrer Value-Tendenz typischerweise nicht bevorzugen. Und selbstverständlich können diese großkapitalisierten Werte noch eine ganze Weile weiter gut abschneiden. Dies erinnert mich jedoch an die frühen 2000er Jahre, als es zur Technologieblase an den Aktienmärkten kam. Ähnlich wie heute setzten technologiebezogene Wachstumsaktien Ende der 1990er Jahre zu einem steilen Kursanstieg an. Dies ließ quantitative Aktienstrategien ins Hintertreffen geraten, bevor die Kurszuwächse in den frühen 2000er Jahren wieder verloren gingen. Daran schloss sich im Hinblick auf die Wertentwicklung quantitativer Aktienanlagen eine eher „normale“ Phase an.

„Ein kürzlich veröffentlichtes Researchpapier von Robeco beleuchtet die zyklischen Schwankungen der Erträge von Faktoren am Aktienmarkt.2 Aktienfaktoren werfen während der normalen Phase des Marktzyklus typischerweise Renditen oberhalb ihrer langfristigen durchschnittlichen Prämien ab. Doch hin und wieder, ungefähr einmal in jedem Jahrzehnt, wird diese Phase von einer erneuten Wachstumsrallye oder einem Value-Crash unterbrochen und Aktienfaktoren entwickeln sich dann typischerweise unterdurchschnittlich. Im Anschluss an solche Zeiträume erfolgen Gegenbewegungen, bevor wieder die ruhige, normale Phase für die Renditen von Aktienfaktoren einsetzt. In der Vergangenheit waren einige solcher Episoden zu beobachten. Standardaktien stiegen während der „Nifty Fifty“-Ära der frühen 1970er Jahre stark im Kurs. Ende der 1970er Jahre legten dann die Notierungen in den Bereichen Energie und Grundstoffe angesichts steigender Rohstoffpreise kräftig zu. Und natürlich gab es Ende der 1990er Jahre die Technologieblase. Diesen Episoden ist gemeinsam, dass es im Anschluss daran zu einer Gegenbewegung kam und eine eher normale Phase im Hinblick auf die Entwicklung von Aktienfaktoren einsetzte.“

„Somit haben wir den Eindruck, dass auf den von „Big Tech“ getriebenen Kursaufschwung bei Standardaktien in Zukunft eine Gegenbewegung folgen könnte. Bestätigt wird dies aus unserer Sicht auch durch die Bewertungen von Faktoren, die sehr günstig erscheinen. Gleichzeitig hat sich die Stimmung ebenfalls verbessert, insbesondere für den Faktor Value.3 In den Schwellenländern beobachten wir bereits eine Wende. Tatsächlich hat sich die Wertentwicklung unserer quantitativen Aktienstrategie mit Fokus auf die Emerging Markets in diesem Jahr verbessert. Das ist deshalb interessant, weil noch der Eindruck vorherrscht, dass quantitative Aktienstrategie nach wie vor eine schwierige Phase durchlaufen. Doch wie gesagt hat sich das Bild im Schwellenlandsegment bereits geändert. Ich habe auch den Eindruck, dass sich die Anleger wieder für quantitative Strategien erwärmen können. So registrieren wir zunehmendes Interesse an unseren Lösungen in diesem Bereich. Demnach ist Quant Investing definitiv das bedeutende Thema schlechthin, das im Jahr 2022 im Blick zu behalten ist.“

Was ist die größte Veränderung seit Beginn der Coronavirus-Krise, die auch im Jahr 2022 fortwirken wird?

„Aus der Perspektive des Quant Investing erwarten wir keine dauerhaften Marktauswirkungen durch das Coronavirus. Natürlich ist es zu verstärkten Kursschwankungen und erhöhten Handelsvolumina sowie zu einer etwas höheren Umschlagshäufigkeit während des Kurseinbruchs im März 2020 gekommen. Doch Situationen wie diese waren bereits in der Vergangenheit anhand der Beispiele zu beobachten, die ich eingangs genannt habe. Die gute Nachricht ist die, dass auf solche Episoden in der Vergangenheit immer eine Phase normaler Wertentwicklung bei quantitativen Aktienanlagen gefolgt ist. Kommen wir noch einmal auf das Beispiel der Technologieblase zurück. Zu Beginn solcher Phasen herrscht häufig der Glaube, dass sich die Dinge diesmal anders darstellen und es eine neue Art von Wirtschaft gibt. Dies hat in der Vergangenheit zu unzutreffenden Vorhersagen geführt, darunter der Prognose, dass Value Investing tot sei. Im Rückblick wissen wir, dass Value-Investments sich von der Technologieblase erholt haben. Der Faktor Value war in der daran anschließenden Phase einer der Faktoren mit der besten Wertentwicklung, auch innerhalb des IT-Sektors.“

„Die wichtigste Erkenntnis für uns als quantitative Investoren ist die, dass wir unserem Ansatz treu bleiben müssen. Dies ermöglicht uns auch, von der Erholung der Wertentwicklung von Faktoren zu profitieren. Hätten wir beispielsweise unsere Strategie durch Verringerung des Exposure gegenüber dem Faktor Value angesichts dessen bekannter Schwierigkeiten geändert, hätten wir nicht so stark von dessen Wiederaufschwung Ende 2020 und Anfang 2021 profitiert. Dies dient uns als Bestätigung, dass ähnliche Situationen bereits früher zu beobachten waren, und dass es entscheidend ist, Kurs zu halten.“

Wo weichen Sie mit Ihrem Ansatz oder Ihrer Vision am meisten vom Konsens ab?

„Ein Teil unseres Research konzentriert sich auf die Diversifikation unseres Ansatzes durch Verwendung alternativer Daten und maschinellen Lernens. Der von uns verfolgte strikte Prozess beim Test neuer Variablen oder Methoden unterscheidet uns von den meisten quantitativen Investoren. Uns ist bewusst, dass einige neue Daten möglicherweise über keine lange Historie verfügen. Dennoch sollte die zeitliche Abdeckung ausreichend sein und mehrere Märkte auf der Welt umfassen. Zudem sollte die Datenqualität hoch genug sein, wobei Variablen unsere rigiden Tests bestehen müssen. Beispielsweise müssen sie für sich genommen eine starke Aussagefähigkeit besitzen und mehrere Sensitivitätsanalysen erfolgreich absolvieren, auch im Hinblick auf leichte Änderungen bei der Definition der Variablen. Des Weiteren muss jede neue Variable einen Mehrwert zusätzlich zu unseren bisherigen optimierten Faktoren erbringen. Wir stellen häufig fest, dass die meisten Variablen bei dieser Stufe des Tests versagen.“

„Beispielsweise haben wir in der Vergangenheit einige Arbeit in Bezug auf nicht greifbare Daten wie Goodwill sowie Forschung und Entwicklung investiert. Wir gehen nunmehr weiter in die Tiefe und betrachten vermehrt unstrukturierte Daten wie zum Beispiel die Zahl der von einem Unternehmen registrierten Patente oder deren Qualität auf Basis von Zitaten. Einige dieser isolierten Ergebnisse sind vielversprechend. Beispielsweise haben wir festgestellt, dass Daten zur Zahl der Patente eine gute Orientierung für die Sektorallokation liefern. Allerdings werfen sie keinen wesentlichen Mehrwert hinsichtlich der Aktienauswahl ab. Auf der anderen Seite erbrachten Daten zur Qualität von Patenten gute Ergebnisse bei der Aktienauswahl. Wir stellten jedoch fest, dass dies bereits von den Daten zu Forschung und Entwicklung abgedeckt wurde. Demnach liefert diese Variable keinen Mehrwert gegenüber den bisherigen. Unser Ansatz bei der Verwendung alternativer Daten und maschinellem Lernen unterscheidet sich auch etwas dahingehend, dass wir ihn für die Prognose sowohl von Renditen als auch von Risiken verwenden. Was Letztere angeht, betrachten wir auch Techniken, die uns bei der Verringerung des Exposure unsere Portfolios gegenüber dem Risiko finanzieller Notlagen helfen.

Was ist die größte ‚externe‘ Herausforderung oder grundlegende Veränderung im Jahr 2022 (denken Sie an die Politik von Regierungen, an Regulierung, die Notenbankpolitik, die Inflation usw.)?

„Ein bedeutendes Thema für Anleger ist Nachhaltigkeit. Wir sehen es zwar nicht als Herausforderung an, es handelt sich aber definitiv um einen Game Changer. In diesem Bereich gibt es eine beträchtliche Dynamik im Hinblick auf politische und regulatorische Vorgaben wie zum Beispiel Gesetze in Bezug auf den Klimawandel, die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN. Anleger legen zunehmend den Fokus darauf, wie sie ihre Portfolios im Bezug auf diese Entwicklungen positionieren. Das kann sich auf nur eine Nachhaltigkeitsdimension beziehen, zum Beispiel die Verringerung des CO2-Fußabdrucks. Oder man kann einen integrierten mehrdimensionalen Ansatz in Betracht ziehen, welcher auf die Verringerung des CO2-Fußabdrucks, die Integration der SDGs und ein Exposure gegenüber Unternehmen mit höherem ESG-Score abzielt. Anleger könnten auch untersuchen, wie sie ihre Nachhaltigkeitspräferenzen am besten mit ihren finanziellen Zielen kombinieren.“

„Daneben registrieren wir auch beträchtlicher Nachfrage nach Strategien, bei denen das Tracking Error-Budget nur dazu verwendet wird, Nachhaltigkeitspräferenzen gerecht zu werden. Dazu passen unsere relativ neuen „Sustainable Core“-Strategien. Unseres Erachtens sind Flexibilität bei der Ausgestaltung und maßgeschneiderte Lösungen entscheidend, da Kunden unterschiedliche Ziele in finanzieller Hinsicht und in Bezug auf Nachhaltigkeit haben. Dank des regelbasierten und systematischen Charakters unserer Quant Investing-Plattform ist diese zur Entwicklung von Portfolios geeignet, die auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Ergänzt wird dies durch unser institutionelles Wissen in den Bereichen Quant & Sustainability Investing. Wir meinen, dass wir damit unseren Kunden die bestmöglichen Lösungen bieten können.“

„Anleger machen sich auch mehr Gedanken darüber, wie sie einen positiven Effekt bewirken können. Wir glauben, dass dabei Stimmabgabe und Engagement eine wichtige Rolle spielen. Mithilfe dieser Instrumente können Aktionäre Änderungen bei den Prioritäten von Unternehmen bewirken. Wie wir in einem unserer Researchpapiere dargelegt haben, stimmen jedoch Assetmanager – insbesondere große und passive Anbieter – allgemein gegen die meisten Anträge mit Bezug zur Umwelt oder sozialen Aspekten.4 Somit muss die Branche noch einige große Schritte absolvieren, was das Abstimmungsverhalten angeht. Wir erwarten, dass dieser Aspekt zunehmende Aufmerksamkeit erlangen wird. Aus unserer Sicht ist die Rolle von aktivem und passivem Management ebenfalls von zentraler Bedeutung. Hat nämlich der Dialog mit Unternehmen keinen Erfolg, können sich passive Manager nicht von diesen trennen, solange sie Teil des Index sind, den sie abbilden.“

Welche persönliche Zielsetzung/Inspiration wird Ihnen helfen, gut durch das nächste Jahr zu kommen?

„Die Coronavirus-Pandemie hat zahlreiche persönliche Begrenzungen zutage gefördert, die die meisten Menschen sicherlich ebenfalls als unangenehm empfunden haben. In den Sinn kommt einem beispielsweise eine unzureichende Work-Life-Balance. Ich persönlich fand als Elternteil die Bewältigung der Phase der Schulschließungen recht schwierig. Hinzu kamen berufliche Herausforderungen, mit denen wir angesichts des Kurseinbruchs am Aktienmarkt konfrontiert waren. Auf der anderen Seite sorgten die Lockdowns auch für weniger Geschäftsreisen. Insgesamt bin ich dankbar, dass sich mehr Zeit mit meinem Ehemann und unseren drei Jungen verbringen konnte. Sie haben mir während dieser Phase zweifellos mehr Energie und Motivation verliehen. Es steht für mich außer Frage, dass ich auch 2022 gerne die Vorteile von mehr Zeit für die Familie genießen würde. Wir könnten das zweifellos auch ohne weitere Schulschließungen tun.“

„Allgemein weniger Geschäftsreisen im kommenden Jahr zu unternehmen, wäre eine willkommene Sache – zusätzlich zur damit verbundenen CO2-Reduktion. Darüber hinaus würde ich, was die eher persönliche Ebene angeht, meinen Fleischkonsum weiter verringern. Nachdem ich dies in den letzten Jahren bereits zunehmend getan habe, ist mein Ziel für 2022, diesen auf ein Minimum zu reduzieren. Zum Glück bringen mir meine Kinder vegetarische Alternativen nahe.“


1 D. Blitz, „The quant crisis of 2018-2020: Cornered by ‘big growth”, in: Journal of Portfolio Management, Mai 2021.
2 D. Blitz, „The quant cycle”, Arbeitspapier, September 2021.
3 G. Baltussen, M.X. Hanauer, S. Schneider, und L. Swinkels, „What valuations and interest rates tell us about equity factors“, Artikel von Robeco, September 2021.
4 W. de Groot, J. de Koning und S. van Winkel, „Sustainable voting behavior of asset managers: do they walk the walk?”, in: Journal of Impact and ESG Investing, Juni 2021.


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