La Financière de l’Echiquier: Appell an den gesunden Menschenverstand

In den Wochen vor der Wahl Donald Trumps hatten die Börsen nur noch Augen für den mexikanischen Peso, der je nach aktuellen Wahlprognosen an Boden verlor oder gewann. Nachdem sich das Fieber nun über den Atlantik ausgebreitet und Frankreich erreicht hat, wird der „Spread Frankreich – Deutschland“, d. h. die Differenz zwischen einer deutschen Staatsanleihe und einer französischen derselben Laufzeit, mit Argusaugen beobachtet.

10.03.2017 | 10:49 Uhr

Im Jahr 2016 war dieser Spread zahm und schwankte um die 35 Basispunkte. Die Wachsamkeit und die Anleihenkäufe von Mario Draghi waren Kontrolle genug, um beim ersten Anzeichen ein Auseinanderlaufen der Spreads abzuwenden. Mit dem überraschenden Wahlausgang in den USA endete dieses Gleichgewicht und es stellt sich die Frage: Wenn die Amerikaner Donald Trump wählen konnten, warum sollten die Franzosen dann nicht auch die rechtsextreme Marine Le Pen wählen können? Ihr lauthals ausposaunter Wille, aus dem Euro auszusteigen, bietet an den Märkten durchaus Anlass zur Sorge: „Frankreich rückt ab“, sagen die Börsianer und beziehen sich damit zugleich auf das Auseinanderdriften der Spreads.

Zu Jahresbeginn 2017 wurde dieser Prozess noch von der Affäre rund um die Kandidatengattin Penelope Fillon befeuert. Die Fokussierung der Akteure auf den berühmten Spread geriet zur Obsession. Man musste gar nicht mehr vom „Spread Frankreich – Deutschland“ sprechen. Schon bei den Worten „der Spread“ wusste jeder, was gemeint war. Dieser Indikator hängt von den politischen Ansagen in Frankreich ab. Die Möglichkeit einer Annäherung zwischen Benoît Hamon, dem Kandidaten der Sozialisten, und dem Linken Jean-­‐Luc Mélenchon ließ ihn auf beinahe 80 Basispunkte klettern. Im Gegensatz dazu ließ die Ankündigung von François Bayrou, Anführer der Zentrumspartei Demokratische Bewegung, dass er Emmanuel Macron unterstützen werde, den Indikator um 5 Basispunkte sinken. Spötter meinten, es sei wohl das erste Mal, dass François Bayrou die Märkte in Bewegung gebracht habe.

Wir sollten die Dinge etwas sachlicher betrachten: Zu Beginn der 90er Jahre wurde Frankreich als erheblich risikoreicher wahrgenommen als Deutschland. Der Weg zur Eurozone und ihre tatsächliche Gründung, die dann folgte, verliehen dem Spread zu Beginn des neuen Millenniums eine hohe Stabilität. Er lag bei 0,15 %. Die Krise im Jahr 2008 und dann vor allem die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone während der Griechenland-­‐Krise, haben diesen Mechanismus seither außer Kraft gesetzt. Im November 2011 wurde mit 190 Basispunkten ein neues Hoch erreicht. Selbst mit seinem aktuellen Wert von 60 Basispunkten ist der Spread Frankreich – Deutschland weit von einem Armageddon-­‐Szenario entfernt. Genau wie die Websites für Online-­‐Wetten zeigt er nur, dass die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer Wahl der rechtsextremen Kandidatin bei 25 % sehen. 

Was würde in diesem Fall geschehen? Man muss gar nicht so weit in die politische Fiktion eintauchen: Die Investoren werden massiv aus französischen Schuldentiteln flüchten, wenn sich diese im Marineblau des Front National präsentieren. Zweifellos wird es der Europäischen Zentralbank gelingen, den Spread kurzfristig im Zaum zu halten, aber ihre Wirkungskraft würde durch die Wahl eines Präsidenten, der mit dem Euro Schluss machen will, ernsthaft beeinträchtigt.

Auch wenn dies nicht das wahrscheinlichste Szenario ist, sollte es bei der Steuerung frankreichlastiger Fonds berücksichtigt werden. Sofern die extremen Kandidaten nicht gewaltig einbrechen, werden die Anleger bis Mai weiterhin fieberhaft das Börsenthermometer verfolgen. Allerdings sollten diese davon ausgehen, dass in der Welt, in der sie leben, stets Antikörper und andere natürliche Abwehrkräfte am Werke sind. Ist die neue politische Realität erstmal etabliert, wird das Fieber sicherlich so schnell fallen wie es zuvor gestiegen ist. Lassen Sie uns diese Momente nutzen, um als Anleger nach wie vor langfristig zu denken und auf den gesunden Menschenverstand sowie auf die scharfsinnige Suche nach Unternehmen mit Potenzial zu setzen.


Ein Kommentar von Didier Le Menestrel ist Chairman von La Financière de l’Echiquier.

 


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