Bislang zeigen sich die Aktien- und Rentenmärkte vergleichsweise unbeeindruckt von Warnsignalen wie beispielsweise der Eintrübung der Konjunktur und hohen Bewertungen. Das könnte manchen Anleger auf dem falschen Fuß erwischen.
18.09.2019 | 14:40 Uhr von «Christian Bayer»
Frank Häusler, Chief Strategist bei Vontobel Asset Management, sieht in
Europa und China eine besonders schleppende konjunkturelle Entwicklung und
verweist darauf, dass sich viele Marktbeobachter fragen, ob den Zentralbanken
zunehmend die Kontrolle entgleitet. „Einerseits sind stützende geldpolitische
Maßnahmen willkommen, da eine ansprechende Wirtschaftsentwicklung niedrige
Zinsen und ausreichend Liquidität voraussetzt. Andererseits verlieren die
erneuten Liquiditätsspritzen zusehends ihre Wirkung, denn auch beim Geld gilt
das ökonomische Prinzip des abnehmenden Grenznutzens“, so der Experte. Vor
diesem Hintergrund stellt sich aus Sicht Häuslers die Frage, ob nicht die Regierungen
gefragt sind, über steuerliche Anreize oder Investitionsprogramme die
Konjunktur zu stützen. So könnte beispielsweise Deutschland die dringend nötige
Erneuerung der Infrastruktur ohne große Anstrengungen finanzieren. „Doch Berlin
hat solchen Plänen eine klare Absage erteilt und will vorerst an einer
schwarzen Null, sprich einem zumindest ausgeglichenen Haushaltsbudget,
festhalten. Auch Italien denkt über Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft nach,
kann sich diese jedoch wegen der hohen Verschuldung nicht leisten“, so der
Vontobel-Stratege.
Aus Sicht von Olivier Marciot, Senior-Portfoliomanager bei Unigestion,
haben sich die Risiken eines Korrelations-Schocks nach zehn Jahren expansiver
Geldpolitik erhöht. Der Experte verweist darauf, dass die starke und
langanhaltende Rallye in allen Anlageklassen zu extrem hohen Bewertungen
geführt hat. Im defensiven Spektrum seien sie besonders ausgeprägt. „In der
Regel braucht es jedoch einen Katalysator damit große Sektor-/Anlage-Rotationen
ausgelöst werden. Eine negative Überraschung der Zentralbanken könnte ein
Auslöser für einen solchen Ausverkauf in äußerst konzentrierten Positionen sein“,
so Marciot. Unigestion verweist darauf, dass die Handlungsmöglichkeiten der
Notenbanken immer eingeschränkter werden: „Investoren sollten verstärkt auf die
Asymmetrie (Risiko/Ertrag) in den Anlageklassen achten. Zurzeit ist die
geldpolitische Unterstützung in vollem Gange und dementsprechend werden die
Bewertungen sehr wahrscheinlich auch hoch bleiben.“ In der Asset Allocation hat
Unigestion das Engagement in Aktien und Unternehmensanleihen erhöht. Allerdings
haben die Experten die Reaktionen der Anleger auf die Zinsentscheidungen der
G10-Zentralbanken im Blick. Aus Sicht Marciots könnten diese erste Indizien dafür
liefern, dass die Zentralbankmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um den Optimismus
der Investoren aufrechtzuerhalten.
Die Fondsgesellschaft Columbia Threadneedle Investments kommt zur Erkenntnis, dass sich die Lage an den Kapitalmärkten zuletzt zugespitzt hat. „Unter dem Strich ist die Gratwanderung für die Wertpapiermärkte im August noch heikler geworden“ so Maya Bhandari, Portfoliomanagerin des Threadneedle (Lux) Global Multi Asset Income Fund. Das aktuelle Konjunkturumfeld bietet aus Sicht von Columbia Threadneedle keinen Rückenwind für die Aktienmärkte. „Die produktions- und exportlastige deutsche Wirtschaft ist wahrscheinlich gerade in eine Rezession eingetreten, und die meisten großen Volkswirtschaften melden einen massiven Lagerabbau. Folglich müssten ceteris paribus die Aktienkurse sinken“, so Bhandari. Auf kurze Sicht hält Columbia Threadneedle dennoch höhere Kurse bei Aktien für möglich. Dies wäre in einem Szenario denkbar, wenn Fed-Chef Powell die geldpolitischen Erwartungen erfüllt und Trump seine Drohungen im Handelsstreit mit China nicht vollständig wahrmacht. „Wir stehen einem solchen Boom skeptisch gegenüber, der längerfristig sowohl gefährlich als auch folgenschwer erscheint“, so die Expertin.
Anleihe- und Aktienprämien
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